Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
meiner Oma, als sie gerade nach dem sonntäglichen Mittagessen bei uns auf der Küchencouch lag, dass ich Schauspielerin werden möchte, in der Hoffnung, dass meine Oma mich unter Anbetung verschiedenster Schutzheiliger davon werde abbringen können. Aber meine Oma strahlte, sodass sich ihr altes Gesicht in viele kleine Fältchen legte, und meinte nur: »Wenn jemand des kann, dann d’Monika.«
An solchen Sonntagnachmittagen war auch oft die »Tante Mare«, die jüngere Schwester meiner Oma, zu Besuch. Die Tante Mare mochten wir Kinder sehr gern, denn sie vergaß niemals, jedem von uns Kindern etwas mitzubringen. Sie war einer der liebenswertesten, großzügigsten und geselligsten Menschen, die man sich vorstellen konnte. Und auch einer der dicksten: Bei jedem Stück Kuchen, das sie über ihren üppigen Busen, der immer in zu engen Pullovern steckte, balancierte, hatten wir Kinder Angst, sie könnte unter lautem Ächzen zerplatzen. Denn sie musste schon stark schnaufen, wenn sie nur ihre massige Figur aus dem Auto ihres Sohnes und über die zwei Treppen unserer Gret (Terrasse) ins Haus wuchtete.
Wenn jemand am Tisch etwas Lustiges erzählte oder ich etwas vorspielte, dann schrie sie immer laut auf, und im selben Moment schossen ihr die Lachtränen aus den Augen, ihre Barthaare am Unterkiefer vibrierten, und ihr mächtiger Vorbau wippte vor und zurück, sodass sie sich selbigen oftmals mit Buttercreme beschmierte, weil die BH -Form so spitz zulief, dass der Inhalt leicht im Kuchenteller landete, meistens rief sie dabei laut: »Nana, des Diandl … wo’s des bloß herhat!«
Und an einem dieser Sonntagnachmittage winkte sie mich mit dem Zeigefinger ganz nah her zu sich und flüsterte leise lachend, sodass ihre sahneverschmierten Barthaare fast mein Gesicht streiften: »Gell, Diandl, und heiraten tust fei ned! Des brauchts heut nimmer!« Und ihre Augen blitzten listig.
Geht klar, Tante Mare, mach’ ma.
Familienbande
Die Familie sucht man sich nicht aus. Man wird hineingeboren in diesen bunten Haufen und muss sich unter seinesgleichen behaupten, sich aneinander abarbeiten, miteinander messen und halt irgendwie durchwurschteln durch diesen wilden Genpool, in den nicht das dünne Wässerchen von flüchtiger Bekanntschaft hineinplätschert, sondern der von der dickflüssigen Suppe der Blutsverwandtschaft gefüllt wird, die so abfärbt, dass man sie sein ganzes Leben lang nicht wieder loswird.
Vielleicht ist es auch gescheit, dass man sich die Familie nicht selbst aussuchen kann, denn wenn man bedenkt, dass fast die Hälfte aller Eheleute nach einiger Zeit merkt, dass sie offensichtlich aufs falsche Pferd gesetzt hat, was würde erst passieren, wenn die Menschen sich ihre Eltern und Geschwister selber aussuchen könnten? Laut Umfrage einer Jugendzeitschrift wünscht sich nämlich die Mehrzahl aller Jugendlichen zwischen vierzehn und zwanzig Dieter Bohlen zum Vater. Wen sie als Wunschmutter küren würden, daran erinnere ich mich leider nicht mehr, aber ich vermute schwer, es würde wohl auf eine multimediale Nervensäge irgendwo zwischen Heidi Klum und Carmen Geiss hinauslaufen. Obwohl Letztere schon eher als Oma infrage käme. An ihrer Seite wäre wahrscheinlich Opapa Gottschalk oder Jauch. Und Tante Nena würde zusammen mit Onkel Bushido die Gutenachtlieder trällern frei nach dem Motto: »Ey, Babo, pennste jetzt oder isch pflaster dir gediegen eine auffe Fresse, bis Wunder geschieht!«
Als Geschwister würden sich die meisten Kids vermutlich Justin Bieber und Miley Cyrus wünschen, was für die Eltern vielleicht nicht soo schlecht wäre, denn sie müssten zwar mehr Geld in die Haar- und Zahnpflegeprodukte ihrer Ableger investieren, würden das aber bei den Klamotten einsparen. Hin und wieder würde halt irgendein verzogener Rhesusaffe übers Nutellabrot am Frühstücktisch hoppeln, aber das wäre wohl bei dieser Familienkonstellation auch schon wurscht.
In unserer Familie hat sich allerdings ein Familienmitglied tatsächlich seine Familie mehr oder weniger selber ausgesucht, denn der Gruber’sche Haushalt setzte sich in meiner Kindheit wie folgt zusammen: Es gab Mama und Paps, die – wie könnte es in einer guten katholischen Familie anders sein – zwar nicht Maria und Josef hießen, aber zumindest ziemlich ähnlich, nämlich: Magdalena und Josef. Dazu kamen ihre Orgelpfeifen Monika, Josef junior (Seppi genannt) und Christian. Ferner lebte noch die Mutter meines Vaters bei uns auf dem Hof, Oma Leni, die wir
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