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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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Malzkaffee-Milch-Zucker-Brühe in seinem großen geblümten Blechkaffeehaferl und fischte dann die aufgeweichten Stücke unter lautem Schlürfen und Geschmatze mit einem Suppenlöffel wieder heraus. Ihm schräg gegenüber tat meine Oma dasselbe mit ihrer ebenfalls geblümten Tasse, die allerdings aus Porzellan war. Nie trank einer der beiden aus der Tasse des anderen seinen Kaffee.
    Als Kinder stellten wir uns immer vor, was wohl passiert wäre, wenn der Opa Miche einmal aus Versehen die Porzellantasse der Oma erwischt hätte. Wahrscheinlich hätte es einen Riesenknall gegeben, der Opa Miche hätte sich sofort in alle feinstofflichen Einzelteile aufgelöst und wäre unter lautem Wehklagen in Richtung Hölle gefahren, wo ihm dann – bei seinem Pech – nicht der Teufel selber, sondern dessen Gattin die Pforte ins ewige Fegefeuer geöffnet hätte. Das waren natürlich nur unsere Hirngespinste, denn wir wussten damals schon, dass eher jeder von uns in der Hölle schmoren würde als der Opa Miche, denn es gab und gibt wenige Menschen, die so frei von negativen Eigenschaften wie Hass, Neid und Niedertracht waren wie unser Opa.
    Und da er allen Frauen skeptisch gegenüberstand, schloss dies natürlich auch meine Oma mit ein. Deshalb wurde während des Frühstücks nur sehr selten etwas geredet, was wegen des lauten Geschmatzes und Geschlürfes auch akustisch schwer gewesen wäre. Ab und an wurden Satzfetzen wie träge, weiche Softbälle über die Tischplatte geworfen:
    »Heut werds heiß, moan i?« (Schlürf-zutzel-zisch …)
    (Saug-schlabber-schmatz) »Wos?«
    »Heiß werds!« (Schluck-sabber)
    »Wann?« (Brösel-schlurf)
    »Heut!«
    …
    »Ja, vo mir aus!«
    Gespräch mit lauten Schlürfgeräuschen beendet.
    Bis zum Mittagessen, das zeit meiner Kindheit immer täglich um Punkt halb zwölf abgehalten wurde, vertrieb sich der Opa Miche die Zeit mit Holzhacken, Holzaufrichten, Radreparieren und diversen anderen kleinen Tätigkeiten rund um Haus und Hof. Das heißt, wenn er nicht in die Kirche ging. Denn den Gottesdienst besuchte er selbstverständlich jeden Sonntag (meistens Samstagabend auch), und jeweils dienstags und donnerstags fuhr er sechs Kilometer mit dem Rad in die Stadtpfarrkirche von Erding in die Frühmesse. An diesen Tagen frühstückte er erst später, denn er hatte noch gelernt, dass man den Leib Christi nur auf nüchternen Magen empfangen dürfe. Mindestens alle vierzehn Tage ging er samstags nach dem Gottesdienst zur Beichte. Was er dem Pfarrer da jedes Mal erzählt hat, das vermag ich mir nicht vorzustellen, denn ich habe den Opa Miche nie fluchen, nie schlecht über jemand anders reden gehört, und von unkeuschen Gedanken war er weiter weg als alle Päpste zusammen. Aber der Opa Miche nahm es eben mit den kirchlichen Gepflogenheiten sehr genau. Und da es hieß, ein guter Katholik müsse regelmäßig zur Beichte, dann ging er eben regelmäßig zur Beichte.
    Einmal bemerkte unsere Oma, dass unsere beiden Ponys irgendwie aus der Weide ausgekommen waren und frei bei uns auf dem Hof herumliefen. Vater und Mutter waren auf dem Feld, sie selber war natürlich viel zu alt, um hinter dem Schneewittchen und ihrem Jungen herzulaufen, und wir Kinder waren ihrer Meinung nach zu klein. Also schickte sie uns in die Schlafkammer vom Opa, damit er gefälligst seinen Mittagsschlaf unterbrechen und die Ponys wieder zurück auf die Weide bringen sollte. Der Opa war sichtlich aufgewühlt von der Tatsache, dass seine geniale Weidezaunkonstruktion Schneewittchen und Co. offensichtlich nicht davon abgehalten hatte abzuhauen, und er zog sich schnell seine Hose und seine Schuhe an. Also, so schnell er eben mit seinen neunundachtzig Jahren konnte. Kaum fünf Minuten später war er schon unten im Hof, während unsere Oma ständig zwischen Gartentür und Haustür hin- und herlief, um die beiden gefräßigen Viecher davon abzuhalten, über den Gemüsegarten meiner Mutter herzufallen. Als sie den Opa endlich erblickte, fing sie an, ihm Anweisungen zuzuschreien, wie er die zwei schnellstmöglich wieder auf ihre Weide treiben sollte. Der Miche hatte sich mit einem kleinen Stock bewaffnet und tat angesichts seines Alters, der Hitze und der Starrköpfigkeit von Schneewittchen sein Möglichstes, aber das ging meiner Oma alles viel zu langsam:
    »Ja, lauf halt, Mo’!«
    »Ich lauf ja scho.«
    »Schick dich halt. Die kommen sonst auf die Straß’ auße.«
    (Schweigen)
    »Kannst jetzt du ned schneller!?«
    Befehle in dieser Lautstärke und

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