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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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Kramerladen, die Thekla, zu der wir Kinder aber nur ganz selten kamen, denn die meisten Dinge kaufte meine Mutter beim Bäcker Mittermayer in Reichenkirchen. Aber wenn der Bäcker Sepp mal Urlaub hatte, was nur sehr selten der Fall war, dann wurden wir Kinder mit dem Radl zur Thekla geschickt, denn sie führte – im Gegensatz zur Schwarzen-Kramerin – auch Brot und Backwaren, die sie vom Bäcker in Grünbach geliefert bekam. Zum Laden der Thekla, der schon mehr so aussah wie man sich einen Kramerladen vorstellte, ging man durch ein kleines Gartentürl, dann einen schmalen Weg entlang durch ihren Blumengarten zur Ladentür, die sogar eine richtige Glocke hatte. Die brauchte sie auch, denn Thekla führte mit ihrem Mann noch eine kleine Landwirtschaft und musste oft die Stallarbeit unterbrechen, wenn sie im Laden bediente. Bei beiden Tätigkeiten hatte sie dasselbe Gewand an, sodass auch im Laden immer ein ausgeprägter ländlicher Duft vorherrschte, woran sich aber niemand störte, schließlich war man ja auf dem Land. Auch die Tatsache, dass die Thekla sich nie die Hände wusch, sondern sie lediglich kurz an ihrer Kittelschürze abwischte, wenn sie vom Stall in den Laden kam, schien niemand zu bemängeln. Einmal kam sie mit hochrotem Gesicht und offensichtlich noch nassen Händen, die sie sich kurz an ihrer fleckigen Schürze abwischte, in den Laden gestürzt mit den legendären Worten: »Die Kuh tut grad kalbern, was kriagn ma denn?« Daraufhin machte sich die komplette Kundschaft über die Lieferung vom Grünbacher Bäcker her und versicherte der Thekla, dass man sich die Semmeln heute gern selber in den Einkaufskorb klauben werde. Nur keine Umstände, Thekla!
    Nur beim Kauf von Pralinen musste man ein wenig vorsichtig sein, denn grad die teuren Waren wurden eher selten gekauft, und da konnte es schon passieren, dass sich in den gerade erworbenen Likörpralinen mit der berühmten Kirsche nur noch die Kirsche und kein Tropfen Alkohol mehr befand. Der war auf dem Regal von Thekla einfach mit der Zeit verdunstet.
    Leider wurde sie irgendwann schwer krank und konnte sich nicht mehr um den Laden kümmern. Nach ihrem Tod musste ihr Mann den Laden schließen, und mit der Thekla war wieder ein kleines Stück Dorfleben gestorben.
    Auch der Laden der Schwarzen-Kramerin wurde nach ihrem Tod zugesperrt. Die Bäckerei Mittermayer gibt es auch nicht mehr, da der Bäcker Sepp, für dessen Semmeln und Brezn die Leute am Samstagfrüh bis auf die Straße anstanden und von weit her kamen, schon lange in Rente ist, aber der Laden wird weitergeführt, und es gibt dort alles das, was man neben Backwaren, Wurst, Obst, Zahnpasta und Melissengeist so braucht, wenn man das Landleben mag: ein persönliches Wort, ein bisserl Klatsch und Tratsch und manchmal sogar eine Lebensweisheit, maßgeschneidert auf die jeweilige persönliche Lebenssituation.
    Schleppt man gerade eine Erkältung mit sich herum, wird man mit den Worten verabschiedet: »Werd scho wieda wern, bei der Frau Dorn is aa wieder worn!«
    Hat man sich eine kleine Verletzung zugezogen: »Bis’d heirats, vergeht’s scho wieda!«
    Bei einer größeren Verletzung oder einem Unglücksfall, einer Scheidung oder einem Missgeschick heißt es: »Es hängt nicht allweil nur auf eine Seit’n!«
    Wenn man sich gutmütigerweise von jemandem hat ausnutzen lassen: »Gutmütigkeit ist ein Teil von der Liederlichkeit!«
    Wenn man eine lukrative Gelegenheit verpasst hatte und dieser nachtrauerte: »Mei, wenn da Hund ned gschissen hätt, dann hätt er die Katz dawischt!«
    Wenn die anderen Kunden Eltern beobachten, die offensichtlich ihren Kindern alles kaufen und alles durchgehen lassen, wird diese Erziehungsmethode nach dem Weggang der Betroffenen mit den Worten kommentiert: »Aus Kindern, die alles kriag’n, werden Erwachsene, die nix können.«
    Allerdings stammt der treffendste Kommentar, an den ich mich erinnern kann, von einer Kundin im Kramerladen. Als nämlich die berühmte »Samenraub«-Geschichte zwischen dem ehemaligen deutschen Tennishelden Boris Becker, und einem russischen Flitscherl die Tageszeitungen beherrschte und auch noch bekannt wurde, dass die Dame nach dieser Minutenaffäre schwanger sei, rümpfte die Frau in der Bäckerei kurz die Nase, schob ihre Brille zurecht und meinte: »Mei, d’Sau suacht, und da Dreck wart’!«
    Ich habe leider den Namen der Dame vergessen, ich weiß nur, dass ich diesen Satz schon ziemlich oft verwendet habe, weil er auf vieles im Leben passt

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