Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
zimperlich sein: Ob es um das Ausmisten des Kuhstalls, das Umtreiben der Viecher, um stundenlanges Traktorfahren, um tagelange Arbeiten auf dem Feld bei entweder brütender Hitze oder eisiger Kälte ging, immer war meine Mama eine der Ersten beim Arbeiten und eine der Letzten am Brotzeittisch. Und in all den Jahren hat sie sich nicht einmal beklagt, dass ihr eine Arbeit zu schwer sei. Höchstens am Ende des Tages, wenn sie völlig erschöpft auf dem Hausbankl saß und einen großen Schluck Bier aus der Flasche nahm, meinte sie lapidar: »Heid glangts ma!«
Bei der Heuernte oder wenn das Stroh gepresst und heimgefahren wurde, halfen auch Verwandte und Nachbarn immer mit, besonders dann, wenn der Wetterbericht ankündigte, dass das Wetter sich verschlechtern könnte. Dann wurden alle Kräfte mobilisiert: Mein Vater fuhr die Heupresse, mein älterer Cousin Mike (wir nannten ihn tatsächlich »Mike« und nicht Miche oder Michl), und unsere beiden Nachbarsburschen, Koni und Sepp, durften die leeren und dann wieder mit Heu oder Stroh beladenen Wagen hin- und herfahren, meine Mutter war oben im Heu- beziehungsweise Strohstock, um die Bündel, die das Förderband alle paar Sekunden ausspuckte, an den Wänden des Stadls entlang zu stapeln. Und einer musste natürlich auf dem Anhänger stehen und mit einer Heugabel die Bündel auf das Förderband bugsieren. Eine Arbeit, die jetzt zwar nicht so kräftezehrend klingt, aber nach dem achten Fuder Heu (Stroh war immer etwas leichter) fragte man schon immer bei den Fahrern nach: »Du, wia vui Wag’n sans no?« Als meine Brüder älter waren, mussten sie ganze Nachmittage lang das Förderband in Schwung halten, und ich stand im Heuschober und versuchte, die Bündel so stabil zu stapeln, dass sie mir nicht alle irgendwann wieder entgegenkamen (was mir durchaus ein- oder zweimal passiert ist, sodass ich dann abends den beißenden, feinen Heu- beziehungsweise Strohstaub aus allen Ritzen und Poren des Körpers mühevoll versuchte abzuwaschen) und ich wieder von vorn anfangen musste.
Als wir noch klein waren, da sprang oft unser Nachbar, der Stromer Max (Stromer war der Hausname und wurde »Strouma« ausgesprochen), ein: ein nicht allzu großer, etwas untersetzter Mann, der aber kräftemäßig nicht zu unterschätzen war. Er konnte bis zum letzten Fuder ein Bündel Heu mit der Gabel anspitzen und so weit hochheben, dass seine Hände nur noch die hinteren Zentimeter des Gabelstiels umfassten. Wer von sich glaubt, er sei durchs Fitnessstudio oder Yoga gut gestählt, der sollte unbedingt mal versuchen, diese Schmankerl-Übung nachzuahmen, dann wird er wahrscheinlich feststellen, dass Krafttraining noch lang nicht bedeutet, dass man bei der Arbeit »gscheid hinlangen« kann. Und gscheid hinlangen, das konnte der Max. Er hieß eigentlich Blumoser und hatte einen kleineren Hof, den sogenannten Strouma-Hof, der unterhalb unseres Anwesens lag: sehr gepflegt, mit einer kleinen Kapelle vor dem Haus, in der vielleicht zwanzig Personen Platz hatten und wo jedes Jahr die Maiandachten stattfanden. Den Hof betrieb er mit seiner Frau Liesi im Nebenerwerb, hauptberuflich war er beim Fliegerhorst Erding als Lkw-Fahrer angestellt, der in früheren Zeiten für die Fernstrecken zuständig war, und als King of the road hatte er im Laufe der Jahre ganz Europa mit seinem Lastwagen durchquert. Aus ebendieser Zeit stammt ein besonderes Relikt: Jedes Mal, wenn der Max ein bisserl zu viel getrunken hatte, legte er sein Bayerisch ab und sprach Plattdeutsch! Wir Kinder (und im Übrigen auch die Erwachsenen) waren völlig hin und weg: Das Ohnsorg-Theater gab in Form einer Ein-Mann-Kombo ein Gastspiel in Tittenkofen! Seine Frau, die Liesi, konnte sich an diesem Schauspiel nicht ganz so erfreuen wie wir, zumal er sie im Plattdeutschen nur noch mit »meine Frau, die Lissa« ansprach. Wenn also bei einem Dorffest oder Ähnlichem eine Frau ihren Mann mit »Hasi« oder »Mausibärle« ansprach, kam vom Max prompt: »Meine Frau, die Lissa, die gibt mir auch immer Tiernamen – nur die Tiere wern immä größer, neech!«
Der Max war aber die Gutmütigkeit in Person, und auch nach der schwersten Arbeit roch er immer noch wie eine Weichspülerflasche auf zwei Beinen, weil bei seiner Liesi blütenweise Wäsche oberste Priorität hatte, etwas, das sich bis heute nicht geändert hat.
Manchmal hatte der Max keine Zeit, uns beim Heuheimfahren zu helfen, und dann kam sein Schwiegervater, der Jackl (auch »Jacke« genannt). Der
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