Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
jeder Maiandacht.
Manchmal, wenn der Strouma-Opa meine Brüder »in der Reißen« hatte, dann wollte er wissen, wie es unserem frommen Großonkel Miche ging, der ja bei uns bis zu seinem Tod mit fünfundneunzig Jahren lebte.
Der Strouma-Opa fand unseren Opa mitsamt seiner exzessiven Religiosität sehr amüsant, und deshalb fragte er uns Kinder immer: »Und? Wia geht’s am Onkel Miche? Duad er immer noch so viel beten?«
Wir Kinder konnten natürlich gar nicht anders, als mit »Ja« zu antworten, denn die Beterei nahm bei einem so religiösen Menschen natürlich mit fortschreitendem Alter nicht plötzlich ab, sondern – im Gegenteil – sie steigerte sich eher, weil ja der Zeitpunkt, wo »oben« entschieden wurde, ob man jetzt im Himmel jubilieren oder in der Hölle schmoren werde, mit jedem verstreichenden Jahr gerade bedrohlich näher rückte.
Das fand der Strouma-Opa jedes Mal aufs Neue lustig, und er sagte schmunzelnd: »Ja, dann sogts ihm, er soll für mich a bissl mitbeten, gell!«
Das richteten wir natürlich gern aus, denn unser Opa betete so viel, da ließ sich doch bestimmt ein kleines Gebet für den Strouma-Opa dazwischenquetschen.
Einmal fragte mich mein Bruder Seppi beim Heimgehen: »Was moanst, wegen was für Sünden der Strouma-Opa will, dass unser Opa für ihn bet’?«
Ich antwortete: »Ich woass auch ned. Vielleicht weil er des Bier so gern mag!«
»Ja, aber is’ des a Sünd?«
»Mei, wenn ma vielleicht mehra wie eine Hoibe trinkt, scho!«
Wenn wir unserem Opa ausrichteten, dass er doch bitte bei Gelegenheit für den Strouma-Opa eine Runde mitbeten solle, dann schüttelte er nur den Kopf und seufzte: »Ja – ja, der … ha?!«
Wir betrachteten unseren Auftrag somit als hinreichend ausgeführt und waren uns sicher, dass unser Opa als tiefgläubiger Mensch dem Wunsch des Strouma-Opas nachkommen würde.
Vielleicht war es gar nicht schlecht, wenn unser Opa für ihn ein gutes Wort einlegte, denn eines hatten der Strouma-Opa und sein Schwiegersohn tatsächlich gemeinsam: die Leidenschaft für Gerstensaft. Die Strouma-Oma und die Liesi konnten diese Begeisterung nicht wirklich teilen, denn es war schon öfter vorgekommen, dass der Strouma-Opa sein kleines Dampferl (Räuscherl) auf dem Heuboden ausgeschlafen hatte, und fast jedes Mal wollte seine Frau besorgt und aufgeregt den Krankenwagen rufen, weil »er hods ja auch mit’m Herz, da Opa«. Und wenn die Damen wieder mal die Biervorräte weggesperrt hatten, dann gab es immer dasselbe Kommando für Max von seinem Schwiegervater: »Hol an Bulldog!« Und dann machten sich die zwei mit ihrem alten Eicher auf den Weg zum Wirt, um ein Paar Kisten ihres Lieblingsgetränks hinten auf der Pritsche heimzufahren. Und die erste Halbe tranken sie in großen, genüsslichen Schlucken auf dem Bulldog, während sie laut lachend und kreuzfidel durchs Dorf tuckerten. Denn dass die Frauen daheim das Sagen hatten, das war wohl jedem Bayern klar, aber wann ein Mannsbild sich eine Halbe genehmigte, da konnte man sich unmöglich dreinreden lassen.
Frauenfußball
und der Kaba-Mann
Klatsch und Tratsch waren zweifelsohne immer schon ein wichtiger Bestandteil des dörflichen Lebens, denn wer viel und hart arbeitet, der will sich auch mal amüsieren. Die Männer im Dorf tun das in der Regel im Wirtshaus, und zwar bei diversen Stammtischen. In meiner früheren Heimatgemeinde gab es etliche Stammtische, die primär zum zünftigen Zusammenkommen der ortsansässigen männlichen Bevölkerung inklusive der gemeinsamen gepflegten Getränkezufuhr gedacht waren, wie zum Beispiel »Die Montagsbrüder«. Bei diesem Stammtisch war mein Vater lange Mitglied, und man traf sich logischerweise immer nur montags., Sie fanden den Montag wahrscheinlich deshalb perfekt, da man so die Woche mit einem kleinen Dampferl angehen konnte.
Danach gründeten einige jüngere Mannsbilder, denen der Montag offensichtlich doch nicht so verlockend für ein kollektives Trinkgelage erschien, irgendwann den sogenannten Stopsl-Club, wobei der erste Teil des Wortes (also Stopsl) das bayerische Wort für Korken repräsentiert, und damit dürfte der Zweck dieser Vereinigung hinreichend geklärt sein. Mein Bruder war – sehr zum Leidwesen meiner Mama – einige Jahre lang Mitglied des legendären » Beam-Club « (dessen Mitglieder sich alle stolz als »Beamer« bezeichneten), wobei es sich hier keineswegs um einen Fanclub der legendären TV -Serie »Raumschiff Enterprise« handelte, sondern »beamen« war
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