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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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fuadern!«
    Ich war eben günstig im Unterhalt: kaltes Schnitzel, kalte Pommes, kaltes Putenschnitzel auf Salat, kalte Pizza. Gut, ab und an stibitzte ich auch ein paar Pommes vom Teller, bevor ich ihn zum Gast brachte, achtete dabei aber immer darauf, dass ich fürs Kauen aber nur die vier Meter Korridor von der Küche bis zum Tresen Zeit hatte. Alles eine Sache des Trainings: Ich lernte, Pommes am Stück zu schlucken und große Stücke Putenbrust und halbe Baguettescheiben so hinunterzuwürgen, dass ich bereits an der Kaffeemaschine nicht mehr kaute. Außerdem mied ich alle Lebensmittel mit Dressing und Knoblauch, denn Flecken auf dem T-Shirt oder eine Knoblauchfahne waren eindeutige Trinkgeldbremsen.
    Sonntagmittags jedoch – und meist auch einmal unter der Woche – fuhr ich zum Alten Wirt nach Goldach, um meine Mittagsschicht runterzureißen. In der Regel hatte ich am Vorabend im Bierdeife gearbeitet, das heißt, ich kam selten vor drei ins Bett. Oft wurde es sogar noch später, weil ich nachts, wenn ich heimkam, noch duschen und Haare waschen musste, denn ich stank wie ein Riesenschnitzel, das längere Zeit in einem Aschenbecher gelegen hatte. Meistens warf ich meine gesamte Kleidung sofort in die Waschmaschine, damit sich der Gestank von Rauch und Frittierfett nicht auch noch in der ganzen Wohnung ausbreitete.
    Wenn dann der Wecker um halb zehn klingelte, hockte ich mich erst einmal einen Viertelstunde auf den Badewannenrand, um überhaupt zu merken, dass es mein Körper war, den ich da grauhäutig und mit verquollenen Augen im Spiegel sah. Damals sagte ich oft laut zu mir: »Zefix, hoffentlich haut des mit dieser Schauspielerei hin, nicht dass die ganze Bucklerei umsonst war!«
    Eine Dreiviertelstunde und zwei Aspirin später, nachdem ich mühsam meinen Eyeliner auf die geschwollenen Lider gepinselt und die letzte saubere Schürze der Woche eingepackt hatte, musste ich bereits los, um pünktlich mit dem Eindecken der Tische zu beginnen.
    Zum Glück gab es keine Zeit zum Hinsetzen, dazu war unser Koch, der Kofler Hans, Exil-Österreicher und Frauenversteher: Meist ahnte er schon, in welch desaströser Verfassung ich angekrochen kommen würde, und wenn er gegen viertel nach elf läutete, wusste ich, er hatte wieder die weltbeste Arbeitsgrundlage hergerichtet, die man sich nach wenig Schlaf und viel Alkohol wünschen konnte. Denn sobald ich meinen geschundenen Servierkörper durch die grüne Küchentür schob, kehrten meine Lebensgeister und mein Siegeswillen wieder zurück, wenn ich erblickte, was er mir kredenzte: knusprig gebratene Schweineripperl mit selbst gemachter Barbecuesoße. Dafür – und für seinen himmlischen Zwetschgendatschi mit Streuseln – liebte ich ihn! Dann meinte er mit leicht vernachlässigtem Steirer Akzent, breit grinsend: »I hob mir denkt, die könnten vielleicht heid ned schaden, oder!« In diesem Moment hätte ich ihn küssen können. Ich glaube, ein- oder zweimal habe ich das sogar gemacht.
    Dazu gab es ein eiskaltes Cola, das ich manchmal mit Wasser verdünnte (Cola-Schorle), und ich war gerüstet für alle etwaigen Anstürme und Sonderwünsche. Und von Letzteren gab es vor allem sonntags immer ausreichend: Sonntag war nämlich Familientag und die Völkerschlacht bei Leipzig dagegen ein Kindergeburtstag. Es wurde alles in die Wirtschaft geschleift, was sonst nie ins Wirtshaus ging. Oder nur dann, wenn jemand anderes bezahlte. Da rückten ganze Familienclans an mit Kind und Kegel, Dackel und Golden Retriever, Oma, Opa und Erbtante im Schlepptau. Es wurden auch Familienmitglieder ins Wirtshaus geschleppt, die noch nicht oder nicht mehr laufen konnten, das heißt, der Korridor und meist auch der enge Raum zwischen den einzelnen Tischen waren vollgestellt mit Rollatoren, Rollstühlen, Kinderwägen, Buggys, Bobbycars und Gerätschaften, deren Namen ich nicht kannte und die aussahen wie Fitnessgeräte, auf denen oben eine Art Wippe thronte. Heinz, der Wirt, meinte immer nur kopfschüttelnd: »Monique (gesprochen: Monikä!), gut, dass mir zwei so windschnittige Astralkörper ham, weil a anderer kaammert nimmer durch!«
    Ich lernte viel im Laufe der Jahre: Ich kannte die Reichweite eines jeden Babyfons, ich wusste, dass Brüste beim Stillen aussehen konnten wie riesige, mit bläulichen Adern durchzogene Euter, deren Brustwarzen-Vorhöfe riesengroß waren und aussahen wie rohe Rehschnitzel. Und ich wusste, dass Maxi-Cosi kein weiterer bescheuerter Vorname war, den durchgeknallte Eltern

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