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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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sie und strahlt die Menge an. »Ich denke, wir wissen alle, was die Stunde geschlagen hat. Dürfte ich wohl die nominierten Damen auf die Bühne bitten?«
    Es überrascht mich nicht zu sehen, dass meine engsten Freundinnen Caroline, Mera und Josie nominiert wurden. Dann sind da noch Grace Harvey, Kelly Zisman, Alexis Fatalsky, Anna und Mary Stevens (die Zwillinge sind), Julia Wells – und das war’s.
    »Das sind bloß neun«, sagt Alex. »Wer ist Nummer zehn?«
    »Wie wir alle wissen, hat unsere Gemeinschaft dieses Jahr jemand ganz Besonderen verloren«, sagt Dr. Harville; ihr Tonfall wird feierlich. »Als eure Schulleiterin hat es mich ungeheuer bewegt zu sehen, dass Elizabeth Valchars Name auf so vielen Stimmzetteln stand. Mir wurde klar, dass wir sie in diesem Jahr ebenfalls nominieren müssen, selbst wenn sie heute Abend nicht bei uns sein kann.«
    Die Schülermenge ist still. Die Mädchen auf der Bühne stehen mit geneigten Häuptern da, halten sich an den Händen und wirken bereits geschlagen. Man braucht kein Genie zu sein, um zu wissen, was als Nächstes passieren wird. Mir wird bewusst, dass nirgends auf der Bühne Rosen zu finden sind; in diesem Jahr wird es keinen zufälligen Auswahlprozess geben.
    »Nach reiflicher Überlegung und nachdem überdeutlich geworden ist, was der Verlust von Elizabeth für unsere Schülerschaft bedeutet, haben der Lehrkörper und ich beschlossen, sie in diesem Jahr posthum zur Abschlussballkönigin zu krönen.«
    Alle jubeln. Die anderen nominierten Mädchen applaudieren höflich, obgleich ich garantieren kann, dass es hinterher jede Menge Genörgel darüber geben wird, wie ungerecht diese Ehrung für mich sei. Selbst Josie scheint über die Entwicklung der Ereignisse nicht sonderlich erfreut zu sein; ein knappes Lächeln klebt auf ihrem Gesicht, aber ihre Augen sind eisig, während sie starr nach vorn blickt. Ich glaube nicht, dass ich ihr das verübeln kann. Ganz gleich, wie besonders ich vielleicht auch gewesen sein mag, ich bin mir sicher, dass jedes Mädchen auf der Bühne gerne Königin geworden wäre — vor allem Josie.
    Aber keine von ihnen ist die Königin. Sondern ich. Und ich bin hier.
    »Komm mit«, sage ich zu Alex und ergreife von neuem seine Hand. Dieses Mal zuckt er nicht zusammen.
    »Warum?« Er folgt mir, während ich mir meinen Weg durch die Menge bahne. »Soll das ein Scherz sein?«
    »Nein, das ist kein Scherz.« Ich ziehe ihn auf die Bühne. Gemeinsam stehen wir neben Dr. Harville und lassen unseren Blick über das Meer der Schüler schweifen. »Ich bin die Königin«, sage ich, ohne seine Hand loszulassen, und genieße den langen Moment des Beifalls. »Und ich kröne dich zum König.«
     
    Nach der Zeremonie geht der Ball noch etwa eine Stunde weiter. Sobald sie die Bühne verlassen hat, gelingt es Caroline, Chad in der Menge abzuschütteln. Er sucht einige Minuten lang nach ihr, gibt es dann auf, holt sich einen Teller mit Knabberkram und setzt sich auf die Tribüne, um all die Mädchen in ihren engen Kleidern zu begaffen.
    Caroline findet Richie im Flur außerhalb der Sporthalle. Er ist allein und sitzt neben dem Warenautomaten auf dem Fußboden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, den Kopf gesenkt.
    »Hey, du«, sagt Caroline und stupst seinen Fuß an. »Sei nicht so ein Trauerkloß. Das ist ein Ball, keine Beerdigung.«
    »Das könnte es aber ebenso gut sein«, sagt er und sieht sie an. »Ich wusste, dass das passieren würde. Als ich erfuhr, dass Liz nominiert worden war, wusste ich, dass der Lehrkörper irgend so etwas machen würde.« Er lächelt beinahe. »Ich bin sicher, dass sie auf Wolke Sieben schweben würde, wenn sie hier wäre. Das muss man Liz lassen: Es gehört schon einiges dazu, zur Abschlussballkönigin ernannt zu werden, wenn man bereits tot ist, was?«
    »Tss-tss.« Caroline streift ihre Pumps ab und enthüllt dabei ihre geschwollenen, roten Füße. »Diese Absätze bringen mich um.« Sie lässt sich neben Richie zu Boden rutschen. »Du hast ja keine Ahnung, was Mädchen alles auf sich nehmen, um hübsch auszusehen, Richie. Ich hätte einfach zu Hause bleiben sollen. Chad ist ein Trottel.«
    »Das hätte ich dir auch sagen können.«
    »Ich weiß.« Sie lächelt meinen Freund von der Seite her an. »Bist du okay? Muss ziemlich hart sein, verhaftet zu werden.«
    Richie sagt nichts, nicht einmal, als Caroline ihren Kopf an seine Schulter legt. Es ist eine süße, unschuldige Geste, die mich nicht im Mindesten eifersüchtig

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