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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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uns beiden geklebt. Die Aufnahme wurde auf dem vorderen Rasen meines Elternhauses gemacht, vor dem letzten Jahrestreffen. Das Foto zeigt lediglich unsere Gesichter und Oberkörper, doch unmittelbar außerhalb des Aufnahmebereichs steht jemand, der seinen Arm um meine Schultern geschlungen hat. Es ist Josie; ihre Fingerspitzen liegen hinten in Richies Nacken. Das fällt Richie ebenfalls auf, und ich sehe ihm an, dass er etwas mit dem Bild machen will – es vielleicht runterreißen? Es wegwerfen?
    Doch er tut nichts dergleichen. »Ich hab’s eilig«, erklärt er Mera und Topher. Er stößt einen langgezogenen Atemzug aus; es ist, als würde er versuchen, einen Anflug seines üblichen coolen, zuversichtlichen Selbsts heraufzubeschwören. Doch als er spricht, klingt seine Stimme abgespannt. »Was braucht ihr?«
    Topher lehnt sich ein bisschen näher heran und senkt seine Stimme. »Hey, Kumpel. Ich weiß, das sind schwere Zeiten für uns alle, aber kannst du einem Bruder aushelfen?«
    »Wovon redet er da?«, murmelt Alex.
    »Psst.«
    »Spricht er von Drogen?«
    Ich sehe Alex an. »Bist du jetzt nicht bloß tot, sondern auch noch taub? Ich sagte: Psst .«
    »Was braucht ihr?«, fragt Richie wieder, schließt seinen Spind ab und wirft einen flüchtigen Blick auf die Uhr, die im Gang hängt. »Ich komme zu spät, Mann.«
    »Wie wär’s mit einem Viertelgramm?«
    Alex schüttelt ungläubig den Kopf.
    »Was ist? Was soll dieser Blick?«, will ich wissen.
    »Du und deine Truppe. Ihr denkt, ihr kommt mit allem davon. Topher ist im Footballteam. Machen die keine Dopingkontrollen? «
    Mein Blick schweift zu meinen Stiefeln. Meine Füße puckern beinahe. Obgleich ich weiß, dass es keinen Sinn hat, habe ich ein paarmal versucht, die Stiefel auszuziehen. Doch früher oder später schaue ich nach unten, und da sind sie wieder. Es ist wie Zauberei. Zumindest fürs Erste sind sie ein fester Bestandteil von mir. »Es gibt Möglichkeiten, die zu umgehen«, sage ich.
    »Wie meinst du das?«
    »Eigentlich sollen die Dopingkontrollen zufällig stattfinden«, erkläre ich. »Aber Topher war letztes Jahr bester Spieler. Sie werden ihn nicht einfach aus dem Team werfen.« Ich halte inne und überlege, wie ich die Sache erklären kann, ohne wie die ausgemachte Wichtigtuerin zu klingen, für die Alex mich hält. »Ich will damit bloß sagen, dass es Dinge gibt, die man tun kann, um bei so was nicht erwischt zu werden. «
    »Richtig. Oder er könnte, weißt du, einfach keine Drogen nehmen .«
    »Komm schon, er ist ein guter Kerl.« Doch meine Stimme klingt wenig überzeugend; immerhin habe ich nun noch einmal mit angesehen, wie Topher mit dem armen Frank Wainscott in der Kantine umgesprungen war.
    Alex sieht mich mit etwas im Blick an, das ich nur als unterdrücktes Entsetzen beschreiben kann. »Warum muss ich von all den Leuten, die tagtäglich sterben«, sagt er kopfschüttelnd, »ausgerechnet mit dir hier festsitzen?«
    »Das soll ein Witz sein, oder? Dasselbe könnte ich über dich sagen.«
    »Nein, kannst du nicht.« Seine Stimme klingt energisch. »Ich bin ein netter Mensch. Ich habe nie etwas getan, um jemand anderen zu verletzen. Aber du … du und deine Freunde. « Er nimmt sich einen Moment Zeit, um den Gang rauf-und runterzuschauen, der sich zunehmend leert, als der Unterricht beginnt. »Gib’s zu, Liz. Ist es einem Teil von dir nicht peinlich, hier mit mir zu sitzen, obwohl uns niemand sehen kann?«
    Ich erwidere nichts darauf. Mein Schweigen ist Antwort genug.
     
    Eigentlich rechne ich damit, dass Richie zu Mr. Franklins Unterrichtsraum geht, sobald Topher und Mera fort sind; das war seit der neunten Klasse unser beider Klassenzimmer. Doch das tut er nicht. Stattdessen folgen Alex und ich ihm ins Erdgeschoss, durch das Kantinuum (eine Kombination aus Kantine und Auditorium; die Noank High ist eine kleine Schule) und nach draußen zum Sportlerheim. Er steht in einem abgedunkelten Gang vor einer geschlossenen Bürotür und zappelt herum, zögert anzuklopfen.
    Richie ist kein Sportler. Er gehört zu den Typen, die im Sportunterricht gerade noch eine Drei kriegen, die einzige mittelmäßige Note in seinem ansonsten makellosen Zeugnis. Das macht ihn in unserer sportlichen, beliebten Clique zu einer Besonderheit. Er hat sich schon immer viel mehr für Bücher und Musik interessiert als für Sport. Doch als ich sehe, wie er auf das Sportlerheim zusteuert, weiß ich trotzdem genau, wen er sucht.
    Mein Lauftrainer, Mr. Riley, sitzt

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