Manche Maedchen muessen sterben
fuchsteufelswild . »Wein? Wo habt ihr Mädchen Wein her?« Er hebt die Stimme, und bevor Josie Gelegenheit hat zu protestieren, brüllt er: »Nicole!«
Im Zimmer herrscht drückendes, unbehagliches Schweigen, während meine Freundinnen weiterhin ihren Blick abgewandt halten. Nur Josie sieht meinen Dad an, und das mit grimmigem Blick; beinahe scheint es, als wäre sie wütend auf ihn.
»Meine Mom sagte, es wäre okay.« Sie spricht betont ruhig.
»Marshall?« Nicole erscheint im Türrahmen. »Was ist los?« Sie sieht meine Schwester an, dann meine Freundinnen. »Was macht ihr Mädchen in Liz’ Zimmer?«
»Ich habe Rauch gerochen«, erklärt mein Dad ihr. »Ich habe gedacht, das verfluchte Haus brennt. Aber nein. Es war bloß deine Tochter hier …« Als er »deine Tochter« sagt, zuckt Josie sichtlich zusammen. »… die eine verdammte Séance abhält. Und sie sind betrunken.« Die Stimme meines Vaters wird immer lauter. »Wessen Idee war das, Nicole? Ihr zwei wart heute in der Kirche, nicht wahr?«
Nicole presst ihre Lippen zu einem knappen Lächeln zusammen. »Marshall«, sagt sie, und ihre Stimme ist so ruhig und freundlich, dass sie gönnerhaft wirkt, »denk an dein Herz.«
»Mein Herz ist mir verflucht nochmal egal. Dein Kind ist hier drin und versucht, Kontakt zu den Toten aufzunehmen.« Er starrt meine Freundinnen an. »Ihr Mädchen. Denkt ihr, das ist in Ordnung? Elizabeth war eure beste Freundin. Jetzt ist sie tot.«
Seine Stimme bricht, und er beginnt zu schluchzen. Es tut so weh, ihn anzusehen, während er zugrunde geht.
»Sie war meine Tochter«, sagt er; seine Stimme schwankt zwischen Kummer und Tränen. »Meine Tochter ist tot. Denkt ihr, irgendetwas hieran ist okay? Denkt ihr, es ist okay, dass ihr in ihr Zimmer geht, um eine Séance abzuhalten? Was habt ihr dabei erfahren? Dass sie niemals zurückkommen wird? Sie war noch ein Baby. Ihr Mädchen seid alle noch Babys, wisst ihr das?«
Mein Dad kann nicht aufhören zu weinen. Er atmet schwer.
»Marshall«, beruhigt Nicole ihn und streichelt seinen Rücken. »Komm wieder ins Bett.« Sie sieht Josie an. »Die Mädchen feiern bloß eine Pyjamaparty. Nichts weiter.«
»Was soll das heißen, nichts weiter ? Das hier ist nicht akzeptabel, Nicole.« Er starrt zu Boden. Seine Wangen sind vor Zorn gerötet.
»Oh Dad«, flüstere ich. »Ich bin hier.«
Alex sieht mich an. »Ich wünschte, er könnte dich hören«, sagt er.
»Ich auch«, murmle ich.
»Denk an ihn«, schlägt er vor. »Erinnere dich an irgendetwas Schönes.«
Als ich die Augen schließe, gleitet die Realität beinahe mühelos davon. Als ich sie wieder öffne und mich an meinen Vater zu erinnern versuche, sehe ich, dass ich mich unbewusst für eine Erinnerung von uns beiden entschieden habe. Wir sind allein, und sofort wird mir bewusst, dass ich der kurzen Zeitspanne zwischen dem Tod meiner Mutter und Dads Heirat mit Nicole einen Besuch abstatte. Er war bloß ein paar Monate Single, bevor sie und Josie bei uns einzogen.
Wir stehen draußen, neben dem Wagen meines Dads; damals fuhr er einen silbernen Porsche. Er ist an den Seitenstreifen gefahren, wo bei einem Sanddornbusch einige Meter entfernt ein großer Pappkarton ruht. Auf den Karton hat jemand mit schwarzem Edding geschrieben: KÄTZCHEN ZU VER-SCHENKEN!
Ich bin neun. Es ist Sommer. Die Nachmittagssonne scheint hell vom Himmel, und so, wie es aussieht, komme ich offenbar gerade irgendwo vom Schwimmen. Ich trage ein Paar Jeansshorts über einem einteiligen roten Badeanzug. Mein langes Haar hängt in dicken, feuchten Strähnen meinen Rücken hinunter. Meine Schultern sind sonnengebräunt, mein Gesicht leicht von der Sonne verbrannt. Mir wird bewusst, dass mein Dad vermutlich keine Ahnung hat, wie man ein kleines Mädchen allein großzieht. Ich nehme an, er hat nicht daran gedacht, mich mit Sonnencreme einzureiben, bevor ich schwimmen ging.
»Bleib hier, Schatz«, sagt mein Dad und macht selbst einen Schritt nach vorn, um in den Karton zu spähen. »Lass mich mal nachsehen.« Er bleibt stehen und blickt nach unten. »Oh, du meine Güte. Nun sieh sich das einer an«, keucht er.
»Was ist? Dad, sind da wirklich Kätzchen drin?« Ich richte mich in meinen Sandalen auf die Zehenspitzen auf, bemüht, einen Blick zu erhaschen.
»Komm her, Liz. Alles in Ordnung.« Er lächelt mir über die Schulter zu. »Ich glaube, das ist ein ganzer Wurf.« Seine Stirn ist vor Sorge in leichte Falten gelegt. »Wie kann man die einfach hier
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