Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Sie werden mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit überleben.«
Ich hätte hundert Prozent gesagt, wenn Johnny nicht einmal einen kleinen Fehler gemacht hätte. Dieser Fehler hatte ihm einen längeren Krankenhausaufenthalt eingebracht und beinahe zu seinem und meinem Tod geführt.
Harry, Minnie und Zella die Zweite stiegen hinten in den Van. Ich schob die Tür zu und klopfte mit der flachen Hand dagegen. Johnny fuhr mit unbekanntem Ziel davon.
Zurück im Haus der Quicks machte ich die Lichter aus, vergewisserte mich, dass alle Fenster geschlossen und verriegelt waren – alle bis auf eins: Ein einzelnes Fenster an der Seite des Hauses, wo das Gebüsch amdichtesten war, ließ ich leicht offenstehen. Es war das Esszimmerfenster. Ich stellte einen Stuhl in den kurzen Flur zur Küche. Dort lehnte ich mich entspannt zurück und tat, was Privatdetektive am besten können – im Dunkeln warten.
Ich hatte die ganze Nacht vor mir. Wenn bis zum Morgen nichts passierte, würde ich zu Kitteridge gehen und ihm erzählen, was ich wusste. Er würde es wahrscheinlich Clarence Lethford erzählen, aber das war okay.
Ein schwacher süßlicher Blumenduft lag in der Luft. Es gefiel mir, dort in der Dunkelheit zu sitzen und diesen Duft einzuatmen. Ich hatte oft überlegt, aus der Detektivbranche auszusteigen. Solange ich dieser Arbeit nachging, war ich verwundbar für meine kriminelle Vergangenheit. Aber ich wollte keinen festen Job mit einem Chef, der mir sagte, was ich machen sollte. Ich wollte nichts weiter als einen fremden Schatten, der langsam mit meinem eigenen verschmolz.
Um 23.47 Uhr vibrierte das Handy in meiner Tasche. Kurz darauf zog ich es heraus, um zu sehen, wer angerufen hatte. Es war eine unbekannte New Yorker Nummer.
»Mein lieber verstorbener Freund wurde angewiesen, Mr. B zu engagieren, damit der seine Spuren verwischt«, sagte die Stimme von Nova Algren auf der Mailbox. »Und die kassierte Summe war zwölf, nicht achtundfünfzig.«
Bingo hatte Stumpy engagiert. Was bedeutete, dass er auch Minnie den Job bei Brighton verschafft hatte.
Um 1.29 Uhr saß ich immer noch im Dunkeln undfragte mich, wohin die übrigen sechsundvierzig Millionen verschwunden waren. Mein Handy hatte wieder vibriert. Wieder war es eine unbekannte Nummer. Ich ging nicht dran, und der Anrufer hinterließ keine Nachricht.
Um 2.37 Uhr sah ich kurz ein Licht am offenen Esszimmerfenster aufblitzen. Ich erhob mich von meinem Stuhl.
Man hörte ein leises Rascheln in den Büschen, dann wurde das leicht geöffnete Fenster langsam komplett aufgeschoben. Ich hielt die Luft an in einem Gefühl von Erregung, das im weitesten Sinne auch mit Angst zu tun hatte. Mit einem Mal war ich vaterlos, kinderlos und vollkommen allein in einem Leben, das nur hier und jetzt existierte und merkwürdig perfekt schien. Der Mann, der durchs Fenster stieg, war knapp 1,70 Meter groß. In diesem Moment kehrte mein Fieber zurück, und ich begrüßte sein gnadenloses Brennen.
Kurz bevor der Profikiller seinen nächtlichen Beutezug beginnen konnte, stürzte ich mich mit einer Präzision auf ihn, die ich jahrzehntelang in Gordos Studio trainiert hatte. Er reagierte eine halbe Sekunde zu spät. Ehe er zu irgendeiner Waffe greifen konnte, landete ich einen krachenden Treffer auf seinem Kinn, so wie Barry Bonds einen Fastball traf. Aber im Rückwärtsfallen verpasste er mir mit dem rechten Fuß noch einen beinahe perfekten Karatetritt. Ich wurde nach hinten geschleudert und landete auf dem Arsch.
Ich drehte mich auf dem Boden herum, stand auf und bewegte mich auf den Eindringling zu. Ich hätte gedacht, dass er gründlich k.o. gegangen war, aber böseMänner wie ich selbst verbringen ungezählte Stunden damit, sich den möglichen Verlauf einer Schlägerei auszumalen, um für alle Widrigkeiten gewappnet zu sein.
Mein Gegner war überrascht worden. Er taumelte im Dunkeln herum und suchte etwas in seiner Kleidung. Ich packte einen Ahornstuhl, holte aus und schlug zu. Dann stürzte ich mich mitsamt dem Stuhl auf den vor Schmerz grunzenden Mann.
Ich schlug öfter zu als nötig, doch ich handelte auch weitestgehend hormongesteuert, wie eine Kriegerameise oder ein verliebter Teenager.
50
Ich hatte schon vorher die für die Konfrontation notwendigen Werkzeuge aus dem Kofferraum meines Wagens geholt, Fuß- und Handfesseln aus Plastik sowie dickes schwarzes Isolierband zum Knebeln lagen bereit.
Im Licht erkannte ich, dass der Mann ein Weißer mit schwarzem Haar war; der Ansatz
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