Manhattan Projekt
vermutlich bewaffnet, hat gerade das Gebäude betreten.«
»Ein Mann, vermutlich bewaffnet …«
»Wie lange?«
»Was meinen Sie?«
»Wann wird voraussichtlich der Einsatzwagen hier sein?«
»Ich weiß nicht …«
»Ich bin FBI-Agentin und genau jetzt am Tatort.«
»Die Wagen sind unterwegs. Die voraussichtliche Ankunftszeit lautet drei Minuten.«
Drei Minuten, dachte Liz, eine Ewigkeit. Und ihr Sohn war noch im Gebäude …
Im nächsten Augenblick stieß sie die Wagentür auf, den Hörer hielt sie noch am Ohr, und sagte: »Bitte benachrichtigen Sie die Zuständigen im Einsatzwagen, daß eine FBI-Agentin das Gebäude schon vor ihnen betreten habe und daß ich bewaffnet sei!«
»Ma'am, ich glaube nicht …«
»Tun Sie es!«
Liz schob das Telefon in ihre Tasche und lief zum Eingang. Es war zwei Uhr siebenundfünfzig, drei Minuten vor Schulschluß und vor der voraussichtlichen Ankunft der Polizei. In diesem Moment hörte sie noch keine Sirenen.
Der Türflügel klirrte gegen die Wand, als sie die Tür nach dem Summton aufgedrückt hatte. Der Mann, der wie ein Eichhörnchen aussah, war nirgendwo zu finden. Liz bog nach rechts und eilte in Richtung Büro. Sie stürzte hinein und stellte sich neben die Sekretärin, die gerade mit dem Verteilen der Post auf die Fächer der Lehrer fertig wurde.
»Ein Mann in einem langen grünen Mantel – haben Sie ihn gesehen?«
»Was meinen Sie?«
Liz zückte ihre Polizeimarke. »Er hat gerade das Gebäude betreten. Haben Sie ihn gesehen!«
»Ich sah … jemanden.«
»Wo?«
»Durchs Fenster. Er ist in die Halle gleich hinter dem Büro gegangen.«
Liz wandte sich zur Tür. Ihr Mund war trocken, ihr Herz schlug rasend schnell. Im Korridor zog sie die Pistole, die sie im Halfter unter ihrem dicken Pullover trug. Eilig durchquerte sie die Halle, suchte nach Anhaltspunkten, wohin der Mann gegangen sein konnte, warf einen prüfenden Blick in jedes Klassenzimmer, an dem sie vorbeikam.
Keine Spur von ihm.
Liz begann sich zu fragen, ob sie nicht überreagiert hatte. Vielleicht war der Mann nur ein Aufseher, der sich ins Gebäude zurückschlich, nachdem er unerlaubt eine Pause eingelegt hatte. Nun hatte er den langen Mantel wieder ausgezogen und in irgendeine Umkleidekabine gehängt, um wieder in Uniform zu erscheinen. Sie eilte weiter, sah sich alles aufmerksam an.
Die vorletzte Tür auf der rechten Seite war zu, während alle anderen in der Halle offenstanden. Liz ging langsamer, um sich nicht durch das Klicken ihrer Absätze zu verraten. Ein farbenprächtiges Schild über der Tür informierte sie, daß dies Mr. Vaughns Zimmer war.
Einer von Justins Lehrern hieß Vaughn.
Liz schlich sich an die Tür heran, die längliche Glasscheibe war mit einer Kinderzeichnung verhängt.
Verdammt!
Sie preßte sich gegen das Holz und versuchte etwas zu hören, die Pistole in der zitternden Hand. Jetzt hörte sie Sirenengeheul, das sich der Schule näherte, und hoffte, daß das alles kein schlimmeres Ende nahm.
Puff …
Ein ungewöhnlicher Laut drang aus dem Inneren des Klassenzimmers. Dann war es wieder still. Vielleicht schrieb die Klasse eine Klassenarbeit, und man gab ihr dafür reichlich Zeit. Es gab unendlich viele Erklärungen.
Liz legte die Hand um den Knauf, hielt inne und schlug dann die Tür auf. Und wenn sie sich irrte? Eine Klasse mit erhobener Waffe zu stürmen und eine Handvoll Kinder grundlos zu Tode zu erschrecken. Später werden sie darüber lachen, und Justin wird allen erzählen müssen, daß es nur eine Übung war.
Liz überlief es kalt. Mr. Vaughn unterrichtete Justin in Fremdsprachen. Er war also in diesem Zimmer!
Dann hörte sie ein Geräusch, das wie ein Schluchzen oder ein Wimmern klang. Dann folgte wieder ein dumpfer Schlag. Das Heulen der Sirenen übertönte jetzt alles andere, während Liz den Türknauf fester packte, ihn drehte, um die Tür zu öffnen.
»Ich habe gesagt: Halt's Maul!«
Dieser Schrei aus dem Zimmer kam genau einen Moment bevor die Klingel den Schulschluß einläutete, Hunderte von Kindern wurden entlassen und strömten in die Halle, als Liz die Tür aufstieß.
Sie hielt die Waffe schußbereit mit beiden Händen, stürmte das Klassenzimmer, nagelte mit ihrem Blick den Fremden fest, der Mr. Vaughn mit einer Hand am Haar hielt und in der anderen Hand eine Mac-10 hielt.
Ein Maschinengewehr! Es war schlimmer, als sie befürchtet hatte …
»Fallen lassen!« brüllte sie, die Pistole auf ihn gerichtet.
Als er zurücktrat und
Weitere Kostenlose Bücher