Manhattan Projekt
Zusammentreffens vor nun fast dreißig Jahren. Er schüttelte den Kopf, stand auf, streckte sich behaglich und überblickte das Wasser, als wäre es sein Eigentum. »Was hältst du davon, wenn wir erstmal herausfinden, wie gut du wirklich bist?«
Auch Blaine war jetzt aufgestanden, es war ihm sofort wohler zumute. »Danke, Buck.«
Torrey bedachte ihn mit einem scheltenden Blick. »Für dich immer noch Sergeant Major, mein Junge. Das ist etwas, was du gelernt haben mußt, noch bevor wir angefangen haben.«
4.
Liz Halprin saß in ihrem Wagen vor der Grundschule ihres Sohnes, den Telefonhörer ans Ohr gepreßt.
»Möchten Sie Mr. Levine immer noch sprechen?« fragte die Empfangsdame am anderen Ende der Leitung.
»Ja, ich warte.«
Klick.
Mist, dachte Liz. Sie wollte dieses Gespräch nicht so lange ausdehnen, bis Justin und die anderen Schüler der dritten Klasse nach Unterrichtsschluß vor dem Hauptportal der William T. Harris-Grundschule erscheinen würden. Die Schule lag sehr günstig zwischen der Achten und Neunten Avenue im Westen auf der Einundzwanzigsten Straße. Der Gedanke daran, wie kurz Justins Weg zur Schule war, brachte Liz auf die Idee, daß sie vielleicht jetzt schon beginnen sollte, eine neue Schule für Justin zu suchen. Irgendwo in Virginia, vermutlich, vielleicht sogar in Quantico selbst.
Nur wenige Stunden zuvor hatte sie einen Anruf bekommen, auf den sie seit Jahren wartete. Der Mann hieß Rooker und rief aus Quantico, dem Sitz des Spezialkommandos des FBI zur Rettung von Geiseln, an. Man hatte sie um ein letztes Interview gebeten, weil sie unter den Bewerbern für die Aufnahme in das Kommando an erster Stelle stand. Damit war sie an der letzten Hürde vor dem höchsten Ziel ihrer Karriere angelangt. Das Spezialkommando des FBI …
Allein der Gedanke an diese Möglichkeit hatte sie leichtsinnig werden lassen. Die Tatsache, daß der Anruf sie am gleichen Tage überrascht hatte, an dem sie eine Nachricht von ihrem Anwalt, Arthur Levine, erhalten hatte, konnte ihr leicht zu Kopf steigen.
»Guten Tag, Liz«, wurde sie von Levines Stimme begrüßt.
»Wie gut wird er werden, Arthur?«
»Ihr Ex-Mann hat den Versuch aufgegeben, das Sorgerecht für sich zu erwirken. Er will sich mit dem gewöhnlichen Besuchsrecht begnügen, wenn Sie ihm die Sommerferien nicht streitig machen wollen. Könnten Sie sich damit anfreunden?«
Liz konnte ihre Begeisterung kaum verhehlen. »Ich werde mich bemühen.«
»Und Sie sind auch mit der gesetzlichen Vormundschaft einverstanden?«
»Gebongt.«
»Damit haben Sie meine Arbeit ungeheuer erleichtert, Liz.«
»Das ist das mindeste, was ich tun kann.«
»Ich gratuliere.«
»Ich danke Ihnen, Arthur, für alles.«
Ihre Hände zitterten leicht, als sie per Knopfdruck das Gespräch beendete. Sie lehnte sich auf dem Fahrersitz des Volvos zurück und tat einen tiefen Atemzug. Die zwei Jahre nach ihrer Trennung waren sehr dramatisch verlaufen, gelinde gesagt. Während sie an ihrem Traum, dem Spezialkommando für die Rettung von Geiseln anzugehören, unbeirrt festgehalten hatte, zerbrach ihre Ehe. Doch jetzt konnte sie all das hinter sich lassen. Sie hatte noch nicht entschieden, welche Nachricht sie Justin als erstes mitteilen wollte: die Tatsache, daß sie von New York City nach Quantico ziehen mußte oder daß es ihm nun freistand, sie dorthin zu begleiten. Sie wandte sich jetzt dem Eingangstor der William T. Harris Grundschule zu, sie konnte es plötzlich gar nicht erwarten, daß er um drei Uhr herauskommen würde.
Liz lehnte sich im Sitz vor. Ein Mann mit langen fettigen Haaren, eingehüllt in einen armeegrünen Mantel, näherte sich der mittleren Flügeltür. Irgend etwas stimmte mit ihm nicht. Abgesehen davon, daß es Eltern verboten war, das Gebäude zu betreten, um ihre Kinder abzuholen, sah dieser Mann überhaupt nicht wie ein Vater aus. Seine Augen huschten umher, wie bei einem Eichhörnchen. Es schien, als ob er sehr schwer atmete, und auf seiner öligen Haut schimmerte eine frische Schweißschicht. Während Liz ihn beobachtete, langte er unter seinen Mantel und schob etwas an der Schulter hoch.
Eine Waffe! Er trägt eine Waffe!
Der Mann eilte die Treppen hoch, um die Eingangstür zu erreichen, bevor sie nach einer Frau, die man hineingelassen hatte, wieder zufiel. Liz griff von neuem nach dem Telefon und wählte 911.
»911 Notrufzentrale.«
»Antwort erbeten bei PS. 11, William T. Harris-Grundschule an der Einundzwanzigsten Straße. Ein Mann,
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