Manhattan Projekt
Spaten in die Kehle stieß, ihn nach hinten gegen den Baum drückte und ihm so den Hals durchtrennte. Der Blick des jungen Mannes war voller Staunen, er wankte und ging langsam in die Knie. Unterdessen kroch der erste Mann durchs Gras, tastete blindlings nach seiner Waffe. Tyrell hob den Spaten, holte aus und erledigte ihn mit zwei Hieben. Dann warf er die beiden in das frisch ausgehobene Grab unter der Eiche.
Er wischte sich die Hände sauber und marschierte wieder den Hügel hinauf. Als er oben ankam, wurde gerade der Sarg in den Boden gesenkt. Die Trauernden warfen Nacheinander Erde darauf. Doch dann sichteten die beiden anderen Männer Tyrell und kamen auf ihn zu. Sie hielten Ausschau nach den Kollegen, die mit ihnen gekommen waren.
»Sie sind da unten«, sagte Jack. Er wartete, bis der Geistliche seinen letzten Segen gesprochen hatte, und folgte ihnen mit dem Spaten in der Hand den Hügel hinunter.
Jack Tyrell war stundenlang marschiert, nachdem er aus dem New Jersey Transit gestiegen war, der ihn nach Manhattan gefahren hatte. Er hatte nicht vorgehabt, so lange in der Öffentlichkeit zu bleiben, wo er jederzeit erkannt werden konnte. Dazu mußte man nicht einmal besonders clever sein. Einer, der sich ein bißchen auskannte, der Zeitschriften las oder sein Porträt auf einem ›Wanted‹-Poster des FBI gesehen hatte, das einmal sieben Jahre lang aushing, würde ihn leicht identifizieren können.
Nach dem Begräbnis war er nun unsicher, was er mit sich anfangen sollte – jetzt, wo er wieder in die Welt zurückgekehrt war, mit vier Leichen hinter sich. Viele Dinge gingen ihm durch den Kopf, er mußte alles ordnen, mußte sich daran gewöhnen, daß er wieder zu dieser Welt gehörte.
Ab und an erstarrte er unter dem Ton einer Polizeisirene. Rote Fußgängerampeln zwangen ihn zum Schneckentempo. Er erwog kurzzeitig, ob es nicht besser wäre, sich in die U-Bahn zurückzuziehen, wo es dunkel war und wo die Leute sich scheuten, einen zweimal anzusehen. Aber den nächsten Häuserblock konnte er schon zügiger passieren, und den übernächsten noch zügiger. Beim sechsten Block hatte er einen gleichmäßigen Rhythmus wiedergefunden.
Er betrachtete die Gesichter derer, die vorüberkamen. Manche waren ihm vertraut, weckten Erinnerungen an Freunde, von denen viele für immer gegangen waren. Freunde, mit denen er einer ganzen Nation den Krieg erklärt hatte, Pläne geschmiedet, in schäbigen Kellerräumen und dunklen Mansarden. Die Chancen waren gleich Null gewesen, aber das hatte Jack Tyrell damals wenig gekümmert.
Manche Leute schleppten gigantische Radios mit sich herum. Andere trugen Kopfhörer und liefen im Takt ihrer privaten Musik. Tiefe, fette Züge aus Joints, dick gerollt wir Zigarren, machten den Schall von Trompeten klarer. Merkwürdige Sachen, das alles. Alle seine Bemühungen, der ganze Schutt, den er zurückgelassen hatte, hatte zu nichts geführt.
Doch diesmal würde es anders sein.
Es hatte mit der Weatherman-Bewegung begonnen und endete mit der Weigerung der übrigen Anführer, ihre philosophischen Forderungen in die Tat umzusetzen. Eine Bombenexplosion hier, eine Entführung dort, viel Rauch hatte die Gruppe 1970 im Präsidium der New Yorker Polizei aufgewirbelt. Kurze Zeit später ging die Gruppe in den Untergrund, aber für Jack Tyrell war die Sache nicht abgeschlossen. Für ihn war der Rückzug ein Geschenk des Himmels, der ihm den Weg ebnete, die Gruppe Midnight Run zu gründen. Er suchte sich die Besten aus den Weatherman- und Black-Panther-Bewegungen aus, lockte sie aus dem Untergrund mit dem Versprechen, daß die Zeit gekommen sei, ihren Worten Taten folgen zu lassen.
Nun fand er sich an der Ecke Sechsundfünfzigste und Lexington wieder, seine Füße hatten ihn fast von selbst dorthin getragen. Ein Schauer überlief ihn, als er an der Ecke dem alten Alexander-Lagerhaus gegenüberstand. Es war ein Relikt, genau wie er.
Während er so dastand und die Straße hinunter blickte, konnte er nicht glauben, was er sah. Das letzte Mal war ein Parkplatz an der Stelle, wo einst das Gebäude der Mercantile Bank gestanden hatte. Jetzt ragte an der gleichen Stelle ein monumentales, fünfziggeschossiges Bürogebäude in den Himmel. Der Wolkenkratzer verschluckte sogar die Gasse, durch die er fünfundzwanzig Jahre zuvor geflüchtet war, damals, als sich die Dinge im Handumdrehen zum Schlechten gewendet hatten. Heutzutage war man wohl der Auffassung, daß eine kleine Erneuerung des Stadtbildes ein ganzes
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