Mann kocht
nur kräftig, sondern auch wärmend seien. Dabei vergessen die Autoren (oder Autorinnen?) offensichtlich, dass Männern so gut wie nie kalt ist. Das ändert
sich bei prekären sozialen Situationen (gleichzeitiger Verlust von Arbeitsplatz, Frau und Wohnung), in denen auch Männer das Wärmende der Suppe zu schätzen
wissen. 111
Die Kräftigkeit einer Suppe wird offensichtlich an deren besonders dickflüssiger Konsistenz gemessen. Man spricht von »flüssig bis breiig«. Echte Suppenfreunde verwenden für die
Konsistenz selten den Begriff »sämig«, wohl aber »suppig«. Sie bewerten die Qualität von Tütensuppen in der Testreihe mit den Prädikaten »grottig«, »grausig«, »gähn«, »geht so«, »guti« und
»genial«. Grottige Produkte zeichnen sich demnach dadurch aus, dass sie eklig, schleimig, glibberig, fad, wässrig, widerwärtig, hautig, ungut lachsfarben, von kleistriger Konsistenz sind.
Genial sind Tütensuppen nach Meinung der unabhängigen Suppentester dann, wenn sie fein komponiert sind, cremig, wohldosiert und
unaufdringlich. 112 Und die unabhängigen Suppentester sind natürlich Männer, nämlich Jochen Reinecke und Florian Meerwinck, von denen nach ihrem Selbstzeugnis einer kochen kann, der andere nicht.
Am allerwenigsten scheint von Männern eine dünne Suppe geschätzt zu werden, erst recht wenn sie, wie in einer beliebten Rechenaufgabe, durch Regen verwässert wird: In einem Topf, der im Freien steht, sind 100 Liter Suppe mit 98 Prozent Wassergehalt. Weil der Topf keinen Deckel hat, regnet es hinein. Die Suppe hat am Schluss einen Wassergehalt von 99 Prozent. Wie viel Liter Suppe sind jetzt im Topf? Die Lösung gibt es in dieser Fußnote. 113
Eine dünne Suppe gilt prinzipiell als Zeichen von Armut, wenn nicht gar Geiz. So auch im Erzgebirge: »Neidorf, de bist su eh richtiges Suppendorf, nischt anneres als eh dünne Supp’ kriegt mer überoll ze aaßen!« Die Bewohner von Neudorf rechneten sich die Beschimpfung als Suppendorf zur Ehre an und eröffneten ein Suppenmuseum. 114
Aua! Küchen als Gefahrenherde
OSHA , die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, ist eine offizielle Behörde im Auftrag der Europäischen Kommission und des Parlaments. Sie listet für Restaurantküchen folgende Gefahrenursachen auf:
Rutschen, Stolpern und Stürzen
Schneidegeräte und Messer
Verbrennungen und Verbrühungen
Manuelle Handhabung von Lasten und Muskel- und Skeletterkrankungen
Lärm
Gefahrstoffe
Druckgas in Getränkeanlagen
Arbeiten in heißer Umgebung
Feuer
Psychosoziale Risiken 119
Ein Wunder, dass unter diesen Bedingungen in Restaurantküchen noch relativ wenig passiert. Dabei haben die OSHA -Leute noch vergessen, Unfälle durch Strom aufzulisten. Die Agentur hofft, dass sich die meisten Unfälle durch gute Organisation und Überwachung in Kombination mit einer effektiven Schulung vermeiden lassen. Das wäre schön.
Fangen wir mal mit den Verletzungen durch Rutschen, Stolpern und Stürzen an, der häufigsten Ursache von Unfällen im Gastgewerbe: Da ist es feucht auf dem Boden, denn der ist relativ kalt. Jegliche Feuchtigkeit kondensiert sofort. Und Feuchtigkeit ist ausreichend in der Luft, viel davon durch unnötig deckellose Töpfe mit unnötig sprudelnd kochendem Nudelwasser. Warum die Anweisung zum Kochen von Nudeln in sprudelnd kochendem Wasser und ohne Deckel ein fataler Küchenirrtum ist, hatte ich an anderer Stelle erklärt. 120 Viel Feuchtigkeit kommt auch durch Spülmaschinen in die Küchenluft. Bei kleinen Küchen sind sie oft im selben Raum aufgestellt und verwandeln die Küche beim Öffnen in ein Dampfbad. Durch scharfes Anbraten von Fleisch (anstelle von zartem Niedrigtemperaturgaren) kommen kleinste Fetttröpfchen dazu. Im Laufe einer Schicht wird der Küchenboden, der aus hygienischen Gründen nicht rau sein darf, zu einer Fläche, auf der kein Halten mehr ist. Geeignete Schuhe sind eine Seltenheit. Dann muss alles auch noch schnell gehen, in schlimmen Fällen auch noch eine Treppe hoch oder runter.
Dann kommen die Schnittverletzungen . Zum Einsatz kommen außer den verteufelt scharfen Profimessern Schneidemaschinen, Fleischwölfe und Mixer. Diese Geräte müssen nicht nur benutzt, sondern auch gereinigt werden. Dabei passiert es meistens. Schnittwunden verursachen aber auch Gegenstände, die gar nicht zum Schneiden vorgesehen sind: Dosen, Deckelränder, Glasscherben.
Verbrennungen und Verbrühungen : Relativ glimpflich geht es ab,
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