Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
weiß nicht«, sagte er.
    Sie bat ihn herein. Die Wohnung war in warmen Farben gehalten. Es roch nach Knoblauch und Kräutern.
    »Das Essen ist gleich fertig«, sagte Anne. Eine Küchenuhr klingelte. »Ich sehe gerade mal nach, dass nichts verbrennt. Ich komme gleich wieder«, sagte sie. Sie verschwand hinter einer Tür, rechts, am anderen Ende des Flurs. Er hörte Geklapper. Sie kam zurück, sagte: »Ich habe dich noch gar nicht richtig begrüßt«, lachte und nahm ihn in den Arm, leicht nur und flüchtig. Ihr Parfüm roch gut, nach Rose, nicht aufdringlich.
    Sie hatte im Wohnzimmer gedeckt. Dort gab es eine Essecke. Zwei Leuchter standen auf dem Tisch. Sie reichte ihm eine Flasche Rotwein. »Wenn er dir recht ist, mach ihn bitte auf.« Der Korkenzieher lag auf dem Tisch. Es war ein Bordeaux, Stachelmann kannte ihn nicht. Er zog den Korken heraus. Anne erschien mit einem Bräter, sie trug Topfhandschuhe. »Lamm mit Gemüse, überbacken«, sagte sie. »Ich hoffe, es schmeckt dir.«
    »Bestimmt«, sagte er, »es riecht gut.« Sie tat so, als wäre es normal, dass sie ihn zum Essen einlud, ohne einen Grund zu nennen. Was hatten sie schon zu tun miteinander? In der Mensa setzte man sich zum anderen, wenn man ihn zufällig sah. Nicht nur Stachelmann war überzeugt, Bohming hatte ein Auge auf sie geworfen. Der Sagenhafte war zwar verheiratet, aber was hieß das schon? Aber sie lud ihn, den Möchtegernprofessor, zum Abendessen in ihre Wohnung, machte sich schick und musste viel Zeit in der Küche verbracht haben, um ein solches Essen zu bereiten. Was wollte sie von ihm? Er war erstaunt, erwartete eine Erklärung. Er traute sich nicht zu fragen.
    Sie aßen, es schmeckte gut. Stachelmann trank wenig Wein, er war verunsichert. Sie plauderten über das Historische Seminar, dann über Annes Familie. Ihr Vater hatte sich vor vier Jahren erschossen, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Niemand wusste, warum, und niemand wusste, woher er die Pistole hatte, ein Modell aus dem letzten Krieg. Anne war ruhig, als sie davon erzählte. Sie legte eine CD in das Abspielgerät. Stachelmann kannte die Musik, es war Mozarts 23. Klavierkonzert, sanft, harmonisch, fast kitschig. Es war ein perfekter Abend. Stachelmann wusste nur nicht, warum sie ihn zusammen verbrachten.
    »Und was machst du, wenn du nicht Studentinnen verführst?«, fragte sie. Sie hatte ein offenes Lachen. Dahinter konnte sich nichts verbergen.
    »Normalerweise verspeise ich Studentinnen zum Frühstück«, sagte er. »Ein bisschen Knoblauch und roter Pfeffer dazu, und es schmeckt perfekt. Aber nur blonde.«
    »Dann bin ich ja Gott sei Dank nicht in Gefahr«, sagte Anne und warf ihre Haare in den Nacken. Sie schimmerten blauschwarz. »Und außerdem, pfui, Knoblauch zum Frühstück, das ist pervers.«
    »Ich bin nun mal so«, sagte Stachelmann. »Man kann nicht aus seiner Haut, auch wenn es einen beliebter machen würde.«
    »Und wann verspeist du diese Alicia?«
    »Woher kennst du sie?«
    »Sie sitzt in meinem Proseminar. Wäre sie doch nur halb so engagiert, wie sie hübsch ist.«
    »Die verfolgt mich«, sagte Stachelmann.
    »Wie schmeichelhaft«, sagte Anne. Es klang ein wenig schnippisch. »Ich fürchte, der Verfolgte ist daran nicht völlig unschuldig.«
    Stachelmann schaute sie erstaunt an. Das klang ja fast, als wäre Anne eifersüchtig. Oder wollte sie ihn nur foppen? »Unsinn«, sagte er. Dann: »Entschuldigung.«
    Sie lächelte. »Ist schon gut. Ich könnte es ja verstehen.«
    Schweigen.
    »Ach ja«, sagte Anne, »bevor ich es vergesse.«
    Pause.
    Stachelmann streckte sich ein wenig, er hoffte, sie sah nicht seine Aufregung.
    »Ich habe mit dem Sagenhaften geredet«, sagte Anne.
    »Er meint, wenn ich dich freundlich bitte, würdest du mir vielleicht hin und wieder helfen.«
    »Bei was?« Es rutschte Stachelmann heraus.
    »Na ja, bei meiner Doktorarbeit.« Sie schaute ihn erwartungsvoll an.
    Stachelmann verstand erst nicht. Er kam gerade von Bohming. Der hatte ihm den Kopf gewaschen, mit Rausschmiss gedroht, weil er mit seiner Habilarbeit nicht fertig wurde. Und derselbe Bohming riet Anne, ihn um Hilfe zu bitten. Wie sollte diese Hilfe aussehen? Anne musste ihre Doktorarbeit allein schreiben, alles andere war Betrug. Offenbar wollte Bohming, dass sie fertig würde. Aber er durfte ihr als Doktorvater nicht mehr helfen als anderen, sonst hätten die Gerüchte noch weitere Kreise gezogen. Warum sollte Anne schnell promovieren? Weil Bohming sie auf seine Stelle

Weitere Kostenlose Bücher