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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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verloren, sie war ermordet worden. Und er saß hier und zeigte kein bisschen Trauer. Er hatte schon im Büro so getan, als gehe ihn die Sache nicht viel an. Aber da hatte Ossi es nicht gemerkt, er war froh, einmal nicht mit weinenden und verzweifelten Eltern oder Ehepartnern zu tun zu haben. Die Verzweiflung und das Weinen waren normal, Hollers Kälte war es nicht.
    »Sie werden sich jetzt bestimmt fragen: Warum zeigt der Mann keine Gefühle? Er hat seine Tochter verloren und geht schick essen.«
    Ossi erschrak. »Nein«, sagte er. »Keineswegs.«
    »Ach ja«, sagte Holler. »Das erstaunt mich jetzt aber. Ich würde so denken.« Er kratzte sich mit dem kleinen Finger an der Nase. »Aber Polizisten sind natürlich anders.« Er verriet nicht, in welcher Hinsicht Polizisten anders sein sollten.
    Vor ein paar Minuten hatte Ossi geglaubt, Holler wolle etwas bei ihm erreichen, jetzt fürchtete er, Holler spiele mit ihm. führe ihn aufs Glatteis, zeige ihm seine Überlegenheit. Es ging um den Mord an seiner Tochter, und Holler trieb Spielchen.
    »Und Sie sind sich absolut sicher, dass Sie sich keine Feinde gemacht haben, privat oder im Geschäftsleben?«, fragte Ossi. Er musste dienstlich werden. Ossi glaubte, ein Lächeln in Hollers Gesicht gesehen zu haben.
    »Nein, nicht dass ich wüsste. Aber vielleicht ist mir ja jemand böse, ohne einen Grund zu haben.«
    »Vielleicht«, sagte Ossi. »Vielleicht haben Sie aber auch einen Konkurrenten verärgert. So verärgert, dass er rot sieht. Ihre Firma ist in den letzten Jahren stark gewachsen, habe ich gehört.«
    »Wir haben in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren unseren Umsatz um mehrere tausend Prozent erhöht.«
    »Ich dachte, es habe vor einiger Zeit so etwas wie eine Immobilienkrise gegeben«, sagte Ossi.
    »Ja, aber nicht für mich. Außerdem ist das schon ewig her. Das war, als ich das Geschäft gerade von meinem Vater übernommen hatte. Seitdem geht’s bergauf. Sehen Sie, wenn der Markt schrumpft, muss man Konkurrenten aufkaufen, damit man seinen Marktanteil trotz widriger Umstände erhöhen kann. Und ich habe die Krise genutzt, um Immobilien zu günstigen Preisen zu kaufen. Keine Krise dauert ewig. Als sie vorbei war, habe ich einige gute Geschäfte gemacht.«
    »Und es fühlte sich wirklich keiner über den Tisch gezogen?«
    Holler lächelte. »Ich habe für die anderen Maklerfirmen gute Preise bezahlt. Es mag sein, dass manche Kollegen glauben, sie hätten doch nicht verkaufen sollen, man kann ja längst wieder gute Geschäfte machen. Aber dieser Ärger kann so schlimm nicht sein, denn die Herren Kollegen haben von mir einen Haufen Geld bekommen. Ich habe ihre Lage nicht ausgenutzt. Und was den billigen Einkauf angeht, sehen Sie, ich habe niemanden gezwungen, an mich zu verkaufen. Kaum jemand hat damals gekauft. Makler haben mich angerufen und gefragt, ob ich nicht dieses oder jenes Haus oder Grundstück haben wolle. Und wenn mir etwas gefiel, dann habe ich es gekauft, zum Marktpreis.«
    »Aber das muss Sie doch einen Haufen Geld gekostet haben?«
    »Das stimmt. Die Banken haben ein bisschen geholfen. Damals kriegte man leichter Kredite als heute. Und mein Vater hat mir eine kerngesunde Firma hinterlassen, das Geschäftskonto war gut gefüllt. Die Zukäufe haben meine Marktposition nicht gerade verschlechtert.«
    Er sagte es leichthin, als spräche er über einen Film, den er gerade gesehen hatte. Ossi hätte ihn gerne gefragt, wie er sich wirklich fühle. Die Leiche seiner Tochter war noch nicht zur Beerdigung freigegeben worden. Morgen würde es geschehen, hatten die Rechtsmediziner gesagt. Dann musste Holler seine Tochter beerdigen. Ob er es auch so leicht nehmen würde?
    Jakob kam mit dem ersten Gang. Ossis Tomatensuppe war ein roter Klecks in einem riesigen Teller, dessen Rand mit Sahne oder Ähnlichem verziert war. Es duftete nach Basilikum.
    Holler aß eine Hummersuppe, der Klecks im Teller stach ins Beige.
    Ossi schmeckte es gut, es war die beste Tomatensuppe seines Lebens. Er hätte noch einen Teller bestellen mögen.
    Sie aßen schweigend.
    Auch beim zweiten Gang sprachen sie nicht viel. Sie tranken noch einen Espresso und fuhren zurück zur Firma. Kamm und Kurz warteten vor dem Eingang, sie hatten zwei uniformierte Polizisten mitgebracht. Holler führte sie in den Keller. Er war sauber und hell, kein richtiger Keller, dachte Ossi. Holler öffnete einen Raum, an einer Wand standen Dutzende von Aktenordnern, an einer anderen ein mächtiger

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