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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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wenigstens fragen können«, sagte Ossi.
    »Vielleicht hat er das ja.«
    »Wir werden ihn fragen müssen«, sagte Taut. »Ossi, du bist doch schon sein bester Freund. Mach du das mal.«
    Ossi nickte. Typisch, dachte er. Im Krimi macht der Hauptkommissar so was selbst. In der Rufbereitschaft 3 der Hamburger Mordkommission schickt er seine Leute. Sitzt wie eine Spinne im Netz und wartet. Taut war geduldig, ein Meister logischer Schlüsse, das hatte er allen anderen voraus. Und eigentlich war es Ossi recht, noch einmal zu Holler zu gehen. Schließlich wollte er ihn fragen, ob sein Vater in einem KZ gesessen habe. Inzwischen fand Ossi diese Frage abwegig, aber er hatte sich vorgenommen, sie zu stellen. Ist mal was anderes, dachte er.
    »Kann ich meinen Historikerspezi mitnehmen?«
    Taut überlegte eine Weile. »Wenn er sich zurückhält.
    Ich möchte keinen Ärger kriegen. Das ist eine polizeiliche Ermittlung.«
    ***
    Sie bildeten Jack zum locksmith aus. An eine bessere Schulbildung oder den Besuch einer Universität war nicht zu denken. Seine Pflegeeltern waren nicht reich, aber auch wenn sie reich gewesen wären, er war nicht ihr Sohn. Es erstaunte ihn, seine Hände waren zu etwas zu gebrauchen. Er lernte feilen und begriff die Gesetze der Mechanik. Bald hatte er einen guten Ruf in der Werkstatt. Er bekam weniger Schläge als die beiden anderen Lehrlinge. Dafür verprügelten Joe und Phil ihn, warfen ihm vor, sich aufzuspielen auf ihre Kosten. Sie ertrugen nicht, dass er besser war als sie. Und sie hassten ihn umso mehr, weil er Deutscher war. Sie betrachteten ihre Quälerei als ihren Beitrag zum Krieg. Sie schwärzten ihn an, schoben ihm schlechte Werkstücke unter und stahlen seine Arbeiten. Sie verschmutzten seinen Arbeitsplatz mit Eisenspänen und Öl. Der Meister ahnte, was sich abspielte. Er griff nicht ein, bestrafte Jack hin und wieder, wenn Joe und Phil ihm etwas anhängten. Die Strafe bestand meist aus Überstunden. Jack begriff bald, die Überstunden waren dem Meister recht. Sie brachten ihm Gewinn.
    Und doch war Jack glücklich, etwas entdeckt zu haben, das ihn befriedigte. Er lernte seine Hände zu gebrauchen, um Kunstwerke zu schaffen. So nannte er für sich, was er in seiner Lehrzeit feilte und zusammenbaute. Zahnräder liebte er am meisten. Mit ihnen konnte man auf vielfältige Weise Kraft übertragen. Er lernte Übersetzungsverhältnisse zu berechnen und aufwändige Antriebe zu konstruieren. Bald konnte er die Getriebe von Traktoren reparieren, das brachte seinem Lehrherrn neue Kunden und Geld, Jack verschaffte es die Anstellung als Hilfsarbeiter. Jack war dankbar, Deutsche wurden nicht gern beschäftigt. Die Leute auf dem Land waren misstrauisch. Da nutzte es wenig, dass Jack Jude war. Für Engländer blieben Deutsche immer Deutsche. Aber immerhin, sie ließen ihn lernen. Es ging ihm besser als seiner Familie. Die, so munkelten manche, sei längst tot. Die Juden würden ermordet, sagten einige. Sie hätten es im Radio gehört. Es klang nicht so, als würden sie es glauben. Sie sagten Jack, im Weltkrieg habe die Propaganda auch gelogen, warum sollte sie es in diesem Krieg nicht tun?

VIII
    Anne hatte ihn in die Mensa eingeladen. Sie aß Spaghetti und einen Salat, er Kohlrouladen. Das Essen war besser als sein Ruf. Es war Mode, das Mensaessen schrecklich zu finden. Stachelmann störte das Geklapper und Gerede der Leute um ihn herum. Anne schien es nichts auszumachen.
    »Übermorgen geht’s endlich los, ich freue mich schon«, sagte Anne.
    »Vergiss die Zahnbürste nicht.« Die Vorstellung, in zwei Tagen mit Anne zu verreisen, stimmte ihn fröhlich. Von Alicia hatte er nichts mehr gehört. Er war inzwischen ein wenig stolz über seinen Auftritt bei Dr. Möller. Er erzählte Anne davon.
    Sie hörte aufmerksam zu, ließ sogar ihre Spaghetti kalt werden. »Und du hast keine Angst, die macht das noch mal?«
    Er hob die Schultern. »Das weiß ich nicht. Ich glaube, sie macht das mit Methode und versteht von Autos mehr, als sie zugibt.«
    »Und wenn nicht?«
    »Ich habe nichts getan, sie auf diesen Wahnsinnstrip zu bringen. Gar nichts. Und deshalb bin ich auch nicht verantwortlich.«
    »Schon richtig. Aber es bleibt ein blödes Gefühl, oder?«
    »Ja. Aber soll ich deswegen am Krankenbett sitzen und Händchen halten? Um von anderen Dingen gar nicht zu reden.« Stachelmann fühlte sich stark. So fühlte er sich immer, wenn er nicht zweifelte. Er hatte sich in letzter Sekunde aus einem Schlamassel befreit.

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