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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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heran.
    »Alles von der Straße walzen!« schrie ein Oberst. »Wir müssen die Straßen für den Nachschub frei haben!«
    Tausende Flüchtlinge lagerten seitlich der Rollbahnen. Ihre Dörfer brannten. Ihre Heimat wurde aus der Luft zertrümmert oder von den Raupenketten zerschnitten. Sie wußten überhaupt nicht, warum Krieg war. Sie wollten wie immer auf ihre Felder gehen … da pfiff es vom Himmel herab, die Erde riß auf, die Häuser stürzten ein … und man stand da, begriff es einfach nicht.
    Den vorrückenden Soldaten aber folgte eine Kolonne in schwarzen oder grauen Uniformen mit schwarzen Spiegeln, zwei Blitzen und einem Totenkopf.
    Eine kleine, bisher unbekannte Armee unter Himmlers Befehl rückte in Polen ein, unmittelbar hinter der kämpfenden Wehrmacht. Sie besetzte die Städte, die Ämter, die Schlüsselstellungen der Verwaltung. Sie stellte Listen zusammen und begann eine gnadenlose Jagd auf zwei polnische Gruppen, die nach dem Willen Hitlers ausgerottet werden mußten: Die Juden und die polnische Intelligenz.
    Auch südlich von Plosk wurden vier Professoren ermordet. Es geschah im Gebiet von Hauptmann Schützes Division. Feldgendarme nahmen die beiden Mörder fest und brachten sie zum General. Nach kurzem Verhör berief der General das Kriegsgericht ein.
    Polen war unterdessen besiegt. In achtzehn Tagen war ein Staat zertrümmert. Er war überrannt worden, und bevor er begriff, daß Krieg war, bestand er schon nicht mehr. Stolz, unter dem Jubelgeschrei der Menge, die wie hypnotisiert unter seinen Worten taumelte, konnte Hitler in die Welt rufen:
    »Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen …!«
    Die Kriegsgerichtssitzung fand unter Beachtung aller kriegsrechtlichen Forderungen statt. Im Zuschauerraum saßen zwei höhere SS-Führer. Sie hatten einen von Himmler und dem OKW unterschriebenen Einlaßschein vorgezeigt. Hauptmann Schütze war abkommandiert worden. Er saß als vierter Beisitzer hinter dem langen Richtertisch. Vor ihm lagen die Fotos der vier ermordeten polnischen Professoren. Man hatte ihnen die Schädel eingeschlagen.
    Lächelnd standen die beiden Mörder in ihren grauen Uniformjacken mit den schwarzen Spiegeln vor den Wehrmachtsoffizieren. Der Ankläger, ein Major, verlas die Anklage. Die beiden Mörder nickten. »So war es«, sagten sie.
    Der General blätterte nervös in den wenigen Schriftstücken. Es waren die Aussagen. Sie waren klar. Die Taten wurden ohne Umschweife angegeben.
    »Sie sind sich doch darüber klar, daß es Morde waren?« fragte Hauptmann Schütze. Er betrachtete die Fotos mit Grausen. Dann hielt er sie den beiden Angeklagten hin. »Rührt sich bei Ihnen nichts, wenn Sie diese Fotos sehen?«
    Der eine der beiden Mörder schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein«, sagte er. »Es waren polnische Schweine. Es waren Gegner Großdeutschlands. Außerdem hatten wir den Befehl, sie zu liquidieren.«
    »Wer hat den Befehl gegeben?« rief der General. »Hier in diesem Gebiet bin ich als Kommandeur auch Gerichtsherr, bis eine neue ordnungsgemäße Verwaltung besteht!«
    Schütze warf die Fotos auf den Tisch. »Man kann keinen Mord befehlen!« rief er empört.
    »Das ist lediglich ein Unterschied in der Auffassung.« Der andere Angeklagte steckte die Hand in die Tasche. Er mußte sich ungeheuer sicher fühlen. »Sie reden immer von Mord. Für uns war es – laut Befehl – die Vernichtung einer Widerstandsgruppe. Es war eine sowohl politische wie militärische Notwendigkeit.«
    »Und die seit drei Tagen begonnene Verhaftung der Juden?« rief Heinrich Emanuel Schütze.
    »Was heißt das? Wollen Sie die Juden schützen, Herr Hauptmann?«
    Der General winkte ab. Die Gefahr, die wieder heraufzog, war größer als alles, was man bisher durchgestanden hatte.
    »Wir schweifen ab. Es geht hier um die vier Getöteten. Es lag keine Notwendigkeit vor. Militärisch überhaupt nicht. Es war Mord.«
    Eine Stunde lang dauerte die Verhandlung. Sie artete in eine politische Diskussion aus. Dann verkündete das Kriegsgericht das Urteil: Wegen vierfachen Mordes werden die beiden Angeklagten zum Tode durch Erschießen verurteilt. Das Urteil soll am nächsten Morgen vollzogen werden.
    Kaum hatte sich das Gericht wieder gesetzt, als die beiden SS-Führer vortraten. Sie hatten bisher still im Hintergrund gesessen. Sie waren nicht aufgefallen. Jetzt gingen sie vor zum Richtertisch, grüßten den General und legten zwei Schriftstücke auf die Tischplatte. Der General sah in der linken Ecke

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