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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kinder …«
    Heinrich Emanuel las den Brief sehr genau und gab ihn dann Amelia zurück.
    »Vielleicht hätte man doch etwas anderes werden sollen als Offizier«, sagte er nachdenklich.
    »Daran ist jetzt nichts mehr zu ändern, Heinrich.«
    »Kannst du dir das vorstellen: ein Deutschland ohne Soldaten?« Er sprang auf und ging im Zimmer hin und her. Das blasse Gaslicht wanderte mit und warf riesige Schatten an die Wand. »Das wäre ja wider die Natur!« rief er. »Wie könnten wir atmen, ohne hinter einer Fahne herzumarschieren? Ein Deutschland ohne eine Uniform … das wäre, als wenn der Rhein bergauf flösse. Nein, nein … ich glaube an eine militärische Zukunft. Einmal werden wieder Soldaten durch die Straßen marschieren. So verlieren kann man einen Krieg gar nicht, daß Deutschland auf die Dauer ohne Soldaten bleibt.«
    Amelia blickte auf ihre Hände. »Es wäre besser, wenn nie mehr marschiert würde …«
    »Das sagst du? Eine Offiziersfrau?«
    »Die Frau eines Margarineverteilers –«
    »Nenn das Wort Margarine heute nicht mehr!« schrie Heinrich Emanuel. »Ich bin dabei, in Margarine zu ersticken. Wenn ich diesen Glauben nicht hätte, diesen festen Glauben, daß es einmal wieder Soldaten gibt –«
    »Was dann?« fragte Amelia. Ihre Augen waren groß und starr.
    Er hob beide Arme und ließ sie an den Körper zurückfallen. »Ich weiß es nicht. Aber so kann es nicht weitergehen. Haben wir das verdient? Wir hatten Ideale –«
    »Sie liegen bei Verdun begraben.«
    »Ist das keine Mahnung, Amelia?«
    »Es sollte mehr eine Warnung sein. Wir haben auch zwei Söhne, Heinrich …«
    »Ich werde sie, sobald sie denken können, im soldatischen Geist erziehen.«
    »Das wirst du nicht!« rief Amelia.
    Heinrich Emanuel sah sie verblüfft an. Es war seit ihrer Eheschließung der erste heftige Widerspruch. Er blieb mitten in der Stube stehen.
    »Die Erziehung der Jungen ist Vätersache.«
    »Ich dulde nicht, daß sie so wahnsinnig werden wie du!« schrie Amelia plötzlich. Sie sprang auf, rannte an ihm vorbei ins Schlafzimmer und warf laut die Tür zu. Er rannte ihr nach und stellte sich vor das Bett, auf das sie sich geworfen hatte.
    »Was soll das heißen?« fragte er heiser. »Bitte erkläre mir den Ausdruck: So wahnsinnig wie du … Nennst du vaterländische Ideale Wahnsinn? Nennst du den Wehrgedanken Irrsinn? Antworte bitte!«
    Sie warf den Kopf herum. In ihren Augen stand Entschlossenheit. Zum erstenmal bemerkte Schütze, daß seine Frau auch einen Willen besaß. Das machte ihn plötzlich unsicher.
    »Meine Söhne lernen etwas Vernünftiges!« sagte Amelia laut.
    Schütze schluckte.
    »Ist Offizier nichts Vernünftiges?«
    »Ein Offizier ohne die Möglichkeit des Angriffs verfehlt seinen Beruf – das hast du 1913 einmal gesagt. Ich habe es nicht vergessen. O nein. Willst du einen neuen Krieg, nur um deine Daseinsberechtigung nachzuweisen? Willst du wieder millionenfaches Leid und millionenfaches Sterben, nur um dich ›auszufüllen‹, wie du früher sagtest? Willst du zum Mörder werden, weil du silberne Tressen trägst?«
    »Amelia!« schrie Heinrich Emanuel. »Du vergißt dich! Wir schützen die Nation –«
    »Wo ist die Nation? Wo? Wo gibt es noch etwas zu schützen, wo alles am Boden liegt? Weißt du überhaupt, warum du vier Jahre lang im Krieg gewesen bist? Wofür 1,5 Millionen gefallen sind? Erkläre mir das einmal …«
    »Das ist Politik … das verstehst du nicht …«
    »Aber ich soll einmal verstehen, meine Söhne für diese Politik, die ich nicht verstehe, herzugeben? Die 1,5 Millionen Mütter, die ihre Kinder opferten … auch sie verstehen die Politik nicht, und wenn sie fragen: Warum sind meine Kinder gefallen … dann bekommen sie zur Antwort: Es mußte so sein. Alles andere versteht ihr nicht. Gebt nur eure Söhne her … zu weiteren Taten oder Überlegungen taugt ihr ja doch nicht. Gebärt und werft die Kinder ins Granatfeuer … das ist die ererbte Pflicht der deutschen Mutter. – Nein, nein! Nicht bei mir! Nicht ich! Ich werde meine Jungen wie eine Löwin verteidigen … auch vor dir, wenn du nach ihnen greifen willst, um aus ihnen Soldaten zu machen, die einmal wegmüssen und verbluten und zu denen man dann sagt: Blutet nur schön … ihr seid Helden. Genügt das? Warum und wofür ihr Helden seid – das versteht ihr doch nicht. Das ist eben Politik. Weißt du, was das ist, Heinrich Emanuel? Ein Verbrechen ist das! Ein Verbrechen!«
    Sie warf den Kopf zurück in die Kissen. Plötzlich

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