Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
Vom Netzwerk:
wieder aus meinen Erinnerungen auf und verstärkte den Griff um die Pistole. In diesem Moment, glaube ich, begriff der Sergeant, dass ich es ernst meinte.
    Wir starrten einander an.
    »Nimm sie runter!«, flüsterte er mit eisiger Stimme.
    Ich drückte ab.
     
    Der Schuss überraschte mich wegen seiner Lautstärke, und der Rückstoß ließ mich nach hinten taumeln. Die anderen Jungen wachten sofort auf und fingen an zu schreien. Ich öffnete die Augen, sah wieder den Sergeant und erwartete, dass er schwanken und dann wie ein g e fällter Baum umkippen würde. Er sah aus, als würde er es ebenfalls erwarten. Aber er rührte sich nicht. Ein Klu m pen Gips fiel aus der Wand, und ich erkannte, wo die Kugel wirklich getroffen hatte – mehr als einen Meter daneben. Ich war es nicht gewöhnt, diese Art von Waffe abzufeuern; mit einem Maracon-Gewehr hätte ich ihn nicht verfehlt.
    In dem Raum herrschte Stille, und jeder starrte mich an, während ich wie ein Idiot vor mich hin grinste.
    »Ich könnte dich wegen versuchten Mordes hinter Gi t ter bringen«, sagte der Sergeant. »Ist dir das klar?«
    »Den Teufel können Sie«, konterte die Stimme in me i nem Kopf, »solange ich immer noch die Waffe h a be.« Aber ich sagte das nicht laut. Ohne die Pistole zu senken, ging ich auf ihn zu. Jeder hier im Raum war darauf tra i niert, blitzschnell seine Waffe zu ziehen. Ich hielt nach einer plötzlichen Bewegung Ausschau. Aber alle standen ganz still. Es war, als würde man durch eine Statuengal e rie schreiten.
    Als ich nur noch ein paar Schritte von dem Sergeant entfernt war, gab ich ihm mit einem Nicken zu verstehen, von der Tü r w egzugehen. Er tat es. Ich ging nach dra u ßen, dann senkte ich die Waffe, drehte mich um und ma r schierte davon. Er hätte auf mich schießen können, und ich wusste es. Bei jedem Schritt machte ich mich inne r lich bereit für eine Kugel in den Hinterkopf, aber es kam keine.
    »Er hat meine Pistole gestohlen«, hörte ich den Jungen mit dem Silberzahn in dem Haus hinter mir sagen.
    »Halt die Klappe«, knurrte der Sergeant. »Ich schwöre bei Gott, dass das Blut von wem auch immer er sich jetzt einbildet erschießen zu müssen, ebenso an deinen Hä n den klebt wie an seinen.«
    »Er ist krank«, beschwerte sich der Junge. »Mit se i nem Kopf stimmt was nicht. Er ist von einem Dämon besessen.«
    Dann begriff ich, was ich getan hatte. Ich fühlte die Angst wie einen vibrierenden Luftstrom aus dem Haus entweichen, das ich gerade verlassen hatte, und fing an zu lachen. Ich lachte und lachte und fiel dabei auf der Straße auf die Knie. Menschen gingen an mir vorüber und star r ten mich an, doch ich konnte sie nicht richtig sehen.
    Als ich meine tränenden Augen öffnete, hörte ich hi n ter mir die Stimme des Sergeants. »Rühr dich nicht von der Stelle!« Ich versuchte, mich wegzudrehen, und er gab einen Schuss ab. »Die nächste Kugel geht in deinen Kopf, also bleib still, falls du an deinem Leben hängst.«
    Ich hing nicht an meinem Leben, sonst hätte ich ni e mals versucht, ihn zu erschießen. Aber da ist etwas Furchteinflößendes an einem Schuss; etwas, das einen unwillkürlich erstarren lässt. Er kam zu mir und trat mir die Pistole aus der Hand. Ich versuchte noch nicht ei n mal, sie aufzufangen.
    »Heb die Pistole auf!«, schrie die Stimme in meinem Kopf. Aber ich konnte nicht. Sie wirkte dort auf dem B o den wie ein totes Insekt, mit ihrem glänzenden Lauf und dem geriffelten Griff.
    »Bleib, wo du bist!«, befahl der Sergeant. Er fesselte mir die Hände. Ich versuchte mich umzudrehen. »Beweg dich nicht!«, warnte er mich und drückte mir die Waffe an den Kopf, als er den Knoten an meinem Handgelenk festzog. »Steh auf!«, forderte er schließlich. Ich tat es.
    Hinter uns näherten sich Schritte. »Was ist hier los?« Es war der Gefreite.
    »Er hat versucht, mich zu erschießen«, murmelte der Sergeant. Der Gefreite lachte ungläubig. »Das ist kein Witz!« Der Sergeant beugte sich nach unten und sah mir ins Gesicht. »Du wirst wegen dieser Sache im Gefängnis landen. Verstehst du das? Man wird dich für dieses Verbrechen einsperren.«
    Ich gab keine Antwort. Ich hatte von dem Militärg e fängnis in Ositha gehört.
    »Vielleicht sind Sie zu hart zu ihm, Sir«, sagte der G e freite. »Vielleicht wollte er gar nicht schießen. Er steht wahrscheinlich noch immer unter Schock. Ich war übe r rascht, dass Sie ihn überhaupt hierher mitgenommen h a ben.«
    »Unter Schock?«
    »Sie wissen

Weitere Kostenlose Bücher