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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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drinsteht.«
    »Ich weiß es nicht. Aber auf alle Fälle ist es irgendwie magisch.«
    »Das glaube ich auch.« Ich zögerte kurz. »Soll ich dir was verraten? Jedes Mal, wenn ich einen Eintrag lese, habe ich das Gefühl, als wüsste ich, was als Nächstes passieren wird. Ist das nicht eigenartig?«
    Er nickte. »Also sag mir, was passieren wird.«
    »So genau weiß ich das nicht. Ich habe einfach nur das Gefühl, als hätte ich es früher schon gelesen oder sogar selbst miterlebt. Einen Teil davon habe ich geträumt, und plötzlich taucht es genau so in dem Buch auf.«
    In diesem Moment wurde die Wohnungstür geöffnet, und Großmutter rief: »Ich bin zu Hause!«
    Pater Dunstan kam hinter ihr ins Zimmer. »Hallo, L e onard«, begrüßte er mich. Ich nickte ihm zu und stand auf, wobei ich das Buch hinter meinem Rücken verstec k te. »Hallo, Stirling. Wie fühlst du dich?«
    »Gar nicht so schlecht. Vielleicht sogar ein bisschen besser.« Ich wusste nicht, ob er das sagte, um tapfer zu klingen oder weil es stimmte. Ich beobachtete ihn au f merksam. Pater Dunstan setzte sich auf die Bettkante, holte seine Armbanduhr heraus und hielt Stirlings Han d gelenk, um seinen Puls zu messen. Er überprüfte das Weiße seiner Augen und legte die Hand auf Stirlings Stirn. Wir sahen schweigend zu.
    »Du machst Fortschritte, Stirling«, sagte er nach e i nem Moment. »Dein Puls ist beinahe normal, und dein Fieber ist leicht gesunken. Ich bin überrascht.«
    »Was heißt das?«, wollte ich wissen. »Bedeutet es, dass Stirling gesund wird?«
    »Ich wäre zuversichtlicher, wenn er wieder sehen könnte«, sagte Pater Dunstan. »Aber dies sind trotzdem gute Anzeichen. Ich werde morgen wieder vorbeiko m men.« Er drehte sich um und sah zu Großmutter und mir hoch. »Manchmal nehmen diese Dinge eine gute We n dung. Wir werden abwarten müssen.«
    Das war alles, was er jeden Tag sagte. Zwei Wochen vergi ng en. Stirling hörte auf zu husten und wirkte wen i ger verwirrt. Wir warteten. Falls Stirling gesund wurde, würde sein Sehvermögen wiederkehren. Oft, wenn ich an seinem Bett saß, merkte ich, dass ich die Luft anhielt. Ich schlief nicht viel. Um mich selbst in der stillen, dunklen Wohnung wach zu halten, las ich das Buch immer wi e der.
    Und eines Tages trat ich durch die Schlafzimmertür, und er drehte sich um und starrte mich an – ganz direkt, nicht leicht rechts oder links an mir vorbei, wie er es vo r her getan hatte. Ich rief nach Großmutter, und sie ließ mich zur Kirche rennen, um Pater Dunstan zu holen.
    Nachdem der Priester Stirlings Puls und Temperatur zwei- oder dreimal gemessen hatte, saß er lange Zeit da, ohne etwas zu sagen. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte. »Das hier ist kein schleichendes Stilles Fieber – zumindest kein Fall, von dem ich je gehört hätte. Ich würde fast meinen …« Er schüttelte wieder den Kopf. »Mir muss ein Fehler unterlaufen sein.«
     
    Stirling war fast völlig gesund. Einfach so. Und wir stel l ten plötzlich fest, dass es Mitte Juli war und der Tag se i ner Erstkommunion kurz bevorstand.
    »Ich will bei demselben Datum bleiben«, sagte Sti r ling gebieterisch von seinem Bett aus – was ihm gar nicht ähnlich sah. »Wir müssen bei demselben Datum ble i ben.«
    »Aber du hast ein paar Unterrichtsstunden bei Pater Dunstan versäumt«, erwiderte Großmutter. »Du hast während der ganzen Zeit, in der du krank warst, gefehlt. Und was ist mit den Einladungen? Und natürlich müssen wir ein Fest feiern.« Sie lächelte trotz der Einwände.
    »Ich will bei demselben Datum bleiben«, beharrte er.
    »Was spielt es schon für eine Rolle, wenn er nicht weiß, was die sieben Todsünden sind oder wie man eine Kanzel schmückt?«, fragte ich.
    »Nein, Leo. Sei nicht kindisch. Dieser Unterricht ist sehr wichtig.«
    »Ich weiß, was die sieben Todsünden sind«, verkünd e te Stirling . »Trägheit, Missgunst …«
    »Wir könnten es auf nächstes Jahr verschieben«, schlug Großmutter vor.
    Stirling zögerte, bevor er nickte. »Ich schätze schon, aber …«
    »Na schön. Ich sollte besser anfangen, die Einladu n gen zu schreiben.« Sie ging zum Schrank und holte die Schachtel mit den Einladungskarten, die sie aufgehoben hatte. Sie summte auf ihre typische Weise vor sich hin, während sie zu schreiben begann, aber heute störte es mich nicht.
    »Es ist schon fast sechs Uhr!«, rief sie plötzlich und sah hoch. »Und ich bin nicht fertig für die Kirche.« Sie seufzte. »Ich möchte heute

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