Mansfield Park
plötzlich aufblickte
und rief: «Oh, da ist er ja!» Es war aber nicht Mr. Rushworth,
der jetzt an Mrs. Grants Seite auf sie zukam, sondern Edmund.
«Meine Schwester mit Mr. Bertram! Ach, ich bin froh, daß Ihr
ältester Cousin abgereist ist, so daß man ihn wieder
Mr. Bertram nennen darf. Mr. Edmund Bertram – das klingt so
förmlich, so jämmerlich, so nach jüngerem Bruder, daß ich es
gar nicht hören kann.»
«Wie verschieden wir doch denken!» rief Fanny. «Mir klingt
wieder Mister Bertram so kalt und nichtssagend! Es ist gerade
nur eine unpersönliche Bezeichnung für irgendeinen beliebigen
Herrn. Aber der Name Edmund hat etwas Edles an sich. Er
klingt nach Ruhm und Heldentum – nach Königen, Prinzen
und Rittern – er atmet Ritterlichkeit und Zärtlichkeit.» «Ich gebe gern zu, daß der Name an sich ganz recht ist, und Lord Edmund oder Sir Edmund klingt entzückend! Aber stellen Sie das herabsetzende Wörtchen ‹Mister› davor – und Mr. Edmund ist nichts Besseres als Mr. John oder Mr. Thomas. Doch die beiden wollen uns sicher auszanken, weil wir um diese Jahreszeit im Freien sitzen. Sollen wir ihnen nicht entgegengehen und sie um ihr Vergnügen bringen, bevor sie mit
ihrer Strafpredigt beginnen können?»
Edmund begrüßte die jungen Damen mit besonderer Freude.
Seit dem Beginn ihres näheren Verkehrs, von dem er mit großer
Befriedigung vernommen hatte, war es das erste Mal, daß er sie
beisammen sah. Eine Freundschaft zwischen den beiden, die
ihm so lieb waren, entsprach seinen innigsten Wünschen, und
zu Ehren des Verliebten sei ausdrücklich festgestellt, daß er
Fanny keineswegs für die einzige oder auch nur die größere
Nutznießerin dieser Freundschaft hielt.
«Nun?» sagte Miss Crawford. «Schelten Sie uns nicht für
unseren Leichtsinn? Warum glauben Sie, sitzen wir frierend
hier? Doch nur, damit man sich darüber aufregt und uns
flehentlich bittet und ermahnt, es nie wieder zu tun.» «Vielleicht würde ich schelten, wenn nur eine allein gesündigt
hätte, aber sobald Sie gemeinsam Unrecht tun, bin ich zu der
größten Nachsicht geneigt.»
«Und lange können sie noch nicht sitzen!» rief Mrs. Grant.
«Wie ich meinen Schal holen ging, habe ich sie vom
Stiegenfenster aus gesehen, und da sind sie herumspaziert.» «Der Tag ist wirklich so milde, daß man es kaum unvorsichtig
nennen kann, sich ein paar Minuten hinzusetzen», fügte
Edmund hinzu.
«Das englische Wetter richtet sich bekanntlich nicht nach dem
Kalender. Manchmal dürfen wir uns im November mehr
erlauben als im Mai.»
«Also wirklich!» rief Miss Crawford. «Ihr beide seid die
gefühllosesten Menschen, denen ich je begegnet bin! Ihr
enttäuscht mich schwer. Wenn ihr ahntet, wie wir gelitten
haben, wie uns die Kälte durch Mark und Bein gedrungen ist!
Ich weiß allerdings schon lange, daß Mr. Bertram das
ungeeignetste Objekt für jedes kleine Manöver ist, mit dem eine
Dame sich ein bißchen interessant machen könnte. Aber du,
meine Schwester, meine leibliche Schwester! Ich finde, ich habe
einen gewissen Anspruch darauf, daß du um mich bangst und
zitterst.»
«Bilde dir nur nichts ein, mein Schatz! Ich habe ganz andere
Gründe, zu zittern und zu bangen, und wenn ich dem Wetter zu
gebieten hätte, würde euch ein eisiger Ostwind um die Nase
blasen. Hier seht ihr meine schönen Topfpflanzen, die Robert
halsstarrig im Freien läßt, weil die Nächte ja noch so milde sind
– sagt er! Dabei weiß ich genau, wie es enden wird: das Wetter
wird unvermittelt umschlagen, ein strenger Frost wird
einsetzen, der jedermann (zumindest Robert) höchlich
überrascht, und um meine Pflanzen wird es geschehen sein. Was
aber noch schlimmer ist: die Köchin hat mir soeben verkündet,
daß der Puter, den ich so gern für den Sonntag aufbewahren
wollte, weil Dr. Grant nach seinem anstrengenden Arbeitstag
viel mehr Genuß davon hätte, höchstens bis morgen halten
wird. So sehen meine Sorgen aus, und ich finde das Wetter viel
zu milde für die Jahreszeit.»
«Die Freuden des ländlichen Herdes», sagte Miss Crawford
schelmisch. «Da lobe ich mir das Blumengeschäft und den
Geflügelhändler.»
«Mein liebes Kind, mach deinen Schwager zum Dekan von
Westminster oder St. Paul, und ich werde mir das Blumengeschäft und den Geflügelhändler nicht minder loben als du. In Mansfield gibt es dergleichen eben nicht. Was sollte
ich deiner Ansicht nach tun?»
«Oh, genau was du ohnehin tust: viel geplagt werden und
niemals die gute Laune verlieren.»
«Danke
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