Mansfield Park
für das Kompliment. Aber kleine Ärgernisse gibt es
überall, Mary, wo man auch lebt. Wenn du einmal in London
verheiratet bist und ich dich besuchen komme, wirst du auch
deine Sorgen haben, trotz Blumengeschäft und Geflügelhändler
– oder gerade ihretwegen. Du wirst dich bitter beklagen, daß sie
nicht nah genug sind oder unpünktlich liefern oder
unverschämte Preise verlangen und dich betrügen.»
«Ich beabsichtige, viel zu reich zu sein, um mich über solche
Dinge zu ärgern oder zu beklagen. Ein großes Einkommen ist
bis jetzt immer noch das beste Rezept für das menschliche
Glück, zumindest soweit es von Zimmerpalmen und
Puterbraten abhängt.»
«Sie beabsichtigen, sehr reich zu sein», sagte Edmund mit
einem Blick, in dem für Fannys scharfes Auge sehr viel Ernst lag. «Natürlich. Sie etwa nicht? Tun wir das nicht alle?»
«Ich kann mir nicht ein Ziel setzen, das zu erreichen gänzlich
außerhalb meiner Macht liegt. Miss Crawford darf sich das Maß
ihres Reichtums aussuchen. Sie braucht nur zu bestimmen,
wieviel tausend Pfund ihr jährliches Einkommen zu betragen
hat, und es besteht kein Zweifel, daß ihr Wunsch sich erfüllt. Ich
kann mir bestenfalls vornehmen, nicht arm zu sein.»
«Ich verstehe – durch Sparsamkeit und Mäßigkeit und indem
Sie Ihre Bedürfnisse Ihrem Einkommen anpassen und so weiter.
Das ist wahrhaftig ein sehr passender Lebensplan für einen
Mann, der schon so alt ist wie Sie und weder über gute Beziehungen noch über eine einflußreiche Familie verfügt. Was könnten Sie mehr verlangen, als gerade nur anständig durchzukommen? Sie haben ja nicht mehr viel Zeit vor sich, und Ihre Familie ist nicht in der Lage, etwas für Sie zu tun, und wird Sie auch nie durch den Kontrast zu ihrem eigenen Reichtum und Ansehen demütigen. Bleiben Sie unbedingt arm und redlich! Aber ich werde Sie nicht beneiden – und ich glaube, ich werde Sie nicht einmal sehr hoch achten. Ich spare mir meine Hochachtung für Leute auf, die reich und redlich
sind.»
«Aber ich nehme mir ja gerade vor, nicht arm zu sein», sagte
Edmund lächelnd. «Es gibt nämlich einen mittleren Stand
zwischen arm und reich, in dem man seine Redlichkeit
bewähren kann, und daß Sie auf den nicht herabblicken, ist
alles, was ich verlange.»
«Aber ich muß auf ihn herabblicken, wenn er höher sein
könnte! Ich verachte jeden, der sich mit einem obskuren Dasein
zufriedengibt, wenn es nur an ihm läge, zu Glanz und Ehren
aufzusteigen!»
«Wie soll er das anfangen? Wie könnte meine Redlichkeit, von
der wir hier reden, mir Glanz und Ehren eintragen?»
Die Frage war nicht ganz leicht zu beantworten und entlockte
der jungen Dame ein ziemlich langgedehntes «Ach …», bevor
sie weiter wußte:
«Sie sollten im Parlament sitzen – oder Sie hätten vor zehn
Jahren zum Militär gehen können …»
«Das nützt uns heute nicht viel. Und was meinen
Parlamentssitz betrifft, muß ich wohl warten, bis eine eigene
Körperschaft für jüngere Söhne mit geringem Einkommen
geschaffen wird. Nein, Miss Crawford», fügte er in ernsterem Ton hinzu, «es gibt Auszeichnungen, die mir erreichbar sind – und es wäre schlimm für mich, wenn ich dächte, daß ich keine Chance, absolut keine Chance und Möglichkeit habe, sie zu
gewinnen – aber sie sind von ganz anderer Art.»
Die befangene Miene, mit der er das sagte, und eine Spur von
Befangenheit im Gehaben Miss Crawfords, die lachend irgend
etwas Scherzhaftes antwortete, lieferten Fanny, die sie heimlich
beobachtete, neue Nahrung für ihre schmerzlichen Gedanken.
Sie vermochte ihre Aufmerksamkeit nicht Mrs. Grant
zuzuwenden, an deren Seite sie den beiden folgte, und war
beinahe entschlossen, sofort nach Hause zu gehen. Sie wartete
nur noch auf ein wenig Mut, um ihre Absicht zu verkünden, als
die große Uhr des Herrenhauses die dritte Stunde schlug und
ihr damit zum Bewußtsein brachte, daß sie heute länger als
sonst ausgeblieben war, und ihrem Schwanken, ob sie jetzt
gleich gehen sollte oder nicht, ein rasches Ende bereitete. Sie
begann sich ohne weiteres Zögern zu verabschieden. Im
gleichen Augenblick besann sich Edmund darauf, daß seine
Mutter nach Fanny gefragt hatte und er ja ins Pfarrhaus
gekommen war, um sie heimzubringen.
Nun hatte Fanny es erst recht eilig. Es kam ihr gar nicht in den
Sinn, daß Edmund sie begleiten könnte, und sie wäre am
liebsten auf der Stelle davongelaufen. Doch jetzt beschleunigten
alle den Schritt und geleiteten sie ins Haus, das sie passieren
mußte. Im
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