Mansfield Park
verpflichtet, ein bißchen nett zu dir zu sein, sonst wäre sie nie darauf verfallen. Sei sicher, wenn deine Cousine Julia zu Hause wäre, hätte man dich nicht eingeladen.»
Mrs. Norris hatte jetzt Mrs. Grants Anteil an der großen Gnade mit soviel Spitzfindigkeit wegdisputiert, daß Fanny, die sich zu einer Antwort gezwungen sah, nur sagen konnte, sie sei ihrer Tante Bertram sehr dankbar für die Erlaubnis und werde trachten, die Handarbeit ihrer Tante so einzurichten, daß man sie abends nicht vermissen würde.
«Oh, verlaß dich auf mich, deine Tante kommt sehr gut ohne dich aus, sonst würde man dich nicht gehen lassen. Ich werde ja hier sein, da brauchst du dir um deine Tante keine Sorgen zu machen. Ich hoffe, du wirst einen angenehmen Abend verbringen und alles ganz himmlisch finden. Aber ich muß schon sagen, zu fünft zu Tisch zu sitzen, ist das Ungeschickteste, was man sich denken kann. Ich staune, daß eine angeblich so elegante Dame wie Mrs. Grant das nicht besser arrangiert. Und noch dazu um den riesigen Tisch, der das Zimmer so schrecklich voll macht! Hätte der Doktor sich mit meinem Eßzimmertisch begnügt, wie jeder Mensch mit normalem Verstand es getan hätte, anstatt diesen absurden neuen Tisch anzuschaffen – er ist breiter, buchstäblich breiter als der Eßtisch hier im Hause – um wieviel richtiger wäre das gewesen! Um wieviel mehr würde man ihn respektieren! Denn ein Mensch, der über seinen Stand hinaus scheinen will, wird niemals geachtet, merk dir das, Fanny! Fünf, bloß fünf Personen um den riesigen Tisch! Zu essen wird es ja wohl für zehn geben, wie ich Mrs. Grant kenne.»
Mrs. Norris holte Atem und fuhr fort:
«Es ist so töricht und unsinnig, wenn ein Mensch über seinen Stand hinaus strebt und mehr zu scheinen sucht, als er ist, daß ich dir, Fanny, wenn du jetzt zum erstenmal ohne uns in Gesellschaft gehst, einen ernsten Rat geben muß. Ich bitte dich inständig und flehentlich, dich nicht in Szene zu setzen und nicht etwa dreist herauszusprechen und deine Meinung zu verkünden, als wärest du eine deiner Cousinen. Das geht nicht an, verstehst du. Merk dir, daß du immer die Letzte und Bescheidenste sein mußt, wohin du auch kommst. Und obwohl Miss Crawford im Pfarrhaus gewissermaßen die Tochter des Hauses ist, wirst du ihr den Vortritt lassen. Was das Weggehen betrifft, hast du dich ganz nach Edmund zu richten. Ihr bleibt so lange, wie er es für richtig hält.»
«Ja, Tante. Ich habe nie etwas anderes gedacht.»
«Und falls es regnet, was ich für mehr als wahrscheinlich halte, denn der Himmel sieht sehr bedrohlich aus, mußt du dir eben helfen, wie du kannst. Erwarte nur nicht, daß der Wagen dich abholt. Ich verbringe heute die Nacht hier; also wird meinetwegen nicht angespannt. Du mußt dich auf schlechtes Wetter gefaßt machen und dich dementsprechend anziehen.»
Fanny fand das alles nur recht und billig. Sie dachte so gering von ihren Ansprüchen, daß sogar Mrs. Norris damit zufrieden sein konnte. Als Sir Thomas gleich darauf die Tür einen Spalt breit öffnete und hereinrief: «Fanny, für welche Zeit möchtest du den Wagen haben?», war sie so verblüfft, daß sie kein Wort hervorbrachte.
«Mein lieber Sir Thomas!» rief Mrs. Norris, ganz rot vor Zorn. «Fanny kann zu Fuß gehen!»
«Zu Fuß?» wiederholte Sir Thomas mit einer Würde, die keine Erwiderung zuließ, und trat einen Schritt weiter ins Zimmer. «Meine Nichte – um diese Jahreszeit – zu Fuß zu einer DinnerEinladung? Paßt es dir um vier Uhr zwanzig, Fanny?»
«Ja, bitte, Onkel», murmelte Fanny demütig. Sie kam sich Mrs. Norris gegenüber beinahe wie eine Verbrecherin vor, und da sie es nach diesem ungewollten Triumph nicht mehr in ihrer Nähe aushielt, lief sie hinter ihrem Onkel aus dem Zimmer. Im Abgehen hörte sie noch ein paar zornige Worte:
«Vollkommen unnötig! – Viel zu sehr verwöhnt … Aber Edmund geht auch – das ist richtig … Es ist Edmunds wegen … Er war Donnerstag abend etwas heiser …»
Doch das konnte Fanny nicht mehr täuschen.
Sie wußte, daß der Wagen für sie und nur für sie beordert wurde, und die Ritterlichkeit ihres Onkels, die in solchem Gegensatz zu den demütigenden Bemerkungen ihrer Tante stand, kostete sie, sobald sie allein war, ein paar Tränen der Dankbarkeit.
Der Kutscher fuhr auf die Minute pünktlich vor. Nach einer weiteren Minute kam der junge Herr herunter, und da seine Dame in peinlicher Angst, sich zu verspäten, schon eine ganze Weile wartend im Salon
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