Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
Vom Netzwerk:
Bevölkerung schützen und den Rest der Welt auslöschen. Wie schade, dass bisher niemand eine Möglichkeit gefunden hat, das zu tun, ohne überall viele Menschen umzubringen.«
    Jude legte Mary den Arm um die Schultern. Sie hatte aufgehört zu tippen, und die Kabinenbeleuchtung glänzte auf ihren manikürten Fingernägeln. Das Flugzeug rollte auf die Startbahn. Der Duft ihres teuren Shampoos drang Jude statt des Wüstengestanks in die Nase. Jetzt hätte er Natalies Fähigkeit, Gedanken zu lesen, sehr gut brauchen können. Trotzdem spürte er, wie Mary innehielt und nachdachte. Als sie sprach, klang sie ganz beiläufig.
    »Ja«, meinte sie grüblerisch. »Das ist es.« Sie schmiegte sich an sein Bein und rief die Datei von den sich bekämpfenden Bakterien noch einmal auf, beobachtete, wie die Tore sich öffneten und die Invasoren hereinbrachen und die Milzbranderreger umschlossen. »Ein Trojanisches Pferd«, sagte sie.
    »Schau ihm nicht ins Maul.«
    Sie erhob sich und blickte ihm ins Gesicht. »Jude?«
    Er ließ den Arm an seiner Seite heruntersinken. »Hmm?«
    Sie blickte ihm aufmerksam in die Augen. Dann plötzlich schüttelte sie den Kopf. »Nichts. Egal. Du hast genug, worüber du dir den Kopfzerbrechen kannst.«
    »Was?«
    »Ich habe es nie gesagt – wegen deiner Schwester, wegen White Horse. Es tut mir so Leid. Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, nichts.«
    »Soll ich dich nach Montana begleiten?«
    »Nein, danke, es geht schon. Du bist ihr ja nie begegnet. Ich bin bald zurück.«
    »Ja.« Sie lehnte sich noch einen Moment lang an ihn, dann zog sie sich in ihren Sessel zurück. Ab und zu blickte sie ihn mit einem Mitgefühl an, das er nicht sehen wollte.
    Jude sah zu, wie der Schatten des Flugzeugs sich erhob und von ihnen wegstrebte, über den verfluchten Boden des Testgeländes und sein programmiertes Leid glitt. Er schloss die Augen.
    Jude spürte, dass Mary ihn beobachtete, bis er einschlief.

 
21
     
     
    Natalie saß auf dem heißen Stuhl im Testraum und blickte durch die Glastrennwand ins Kontroll-Center. Die Anordnung erinnerte sehr an die Klinik; im Kontroll-Center saß der Rest des Forschungsteams vor ihren Bildschirmen. Die riesigen Arme des hoch empfindlichen stationären Scan-Systems umschlossen still und dunkel ihren Kopf. Von ihnen war Natalie wie immer enttäuscht. Man hätte erwartet, dass sie wenigstens summten oder zischten oder Blinklichter hatten, aber wie ihre kleineren, von Hand bedienten Brüder blieben sie still.
    Sie hoffte, dass Ian bald auftauchte, aber sie wusste weder, ob sie damit rechnen durfte, noch wie sie ihn kontaktieren konnte. Inzwischen stand fest, dass die Selfware mehr als angenommen an ihr verändert hatte. Durch die Modifikation vor ihrer Anwendung auf Ian war das Operationsgebiet der Selfware drastisch erweitert worden.
    In einer fernen, dunklen Zeit, von der Natalie allein deshalb wusste, dass sie sie erlebt hatte, weil sie sich an nichts anderes erinnerte, hatte sie beabsichtigt, ein Werkzeug zu schaffen, mit dem man die Aktivitätszustände der Gehirne von Menschen beobachten konnte – von jedem, der für sich in Anspruch nahm oder Grund zu glauben hatte, er sei zu Denk- und Wahrnehmungsprozessen befähigt, die über das gewöhnliche Maß hinausgingen. Sie hatte gehofft, zwischen solchen Personen und der Durchschnittsbevölkerung einen signifikanten Unterschied zu entdecken, der vielleicht Hinweise lieferte, um eine Theorie der paranormalen Fähigkeiten wie etwa der Hellseherei aufzustellen.
    Ihr Interesse an diesem Gebiet hatte in der Nacht begonnen, in der sie mit Karen aus dem Wald nach Hause floh. Nur zwei Wochen später war ihre Mutter tot gewesen, und obwohl Natalie wusste, dass es unmöglich war, hatte sich in einem Winkel ihres Hirns die Überzeugung eingenistet, das Leben ihrer Mutter sei der Preis für den schlechten Handel, den sie mit der Dämmerung geschlossen habe. Schließlich und endlich hatte sie nie eine Gegenleistung für die Gewalt über die Dunkelheit festgelegt, und daher durfte die Dämmerung verlangen, was sie wollte.
    Die Idee war so völlig irrational gewesen, dass sie umso verlockender wirkte. Ihre Therapeutin pflegte zu fragen: »Und du möchtest, dass es die Wahrheit ist?«
    Natalie hatte stets erwidert: »Nein!«
    Was sonst? Wer möchte schon dafür verantwortlich sein, die eigene Mutter durch einen dummen Vertrag mit den alten Göttern der Finsternis getötet zu haben? Doch tief im Innern

Weitere Kostenlose Bücher