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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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eine Kopie?«
    »Das nehme ich an … ich habe es von einem kleinen Gerät heruntergeladen, einer Art Fernbedienung wie ein PocketPad, nur ein bisschen größer.«
    »Kommen Sie mit«, sagte Natalie. Ihr Pager meldete sich wie eine epileptische Maus und erinnerte sie, dass sie sich dringend auf den Weg zum Konferenzsaal machen sollte. Sie schaltete den Pager ab.
    Eilig gingen sie in Natalies Büro. Dort nahm sie einen abgegriffenen Katalog aus Hochglanzpapier aus einem verschlossenen Regalfach, schlug ihn auf einer der ersten Seiten auf und zeigte auf einen schwarzen Gegenstand, der wie eine Kreuzung aus einem Pad und einer Pistole aussah; er besaß ein Tastenfeld und ein einzeiliges Display. Natalie hob fragend die Augenbrauen. Von den Luftschleusen und den Waschräumen in der BSL-4-Sektion abgesehen, wurde die Klinik abgehört. Sie durften sich nicht verraten.
    Sie beugte sich dichter zu ihm, damit sie flüstern konnten, und versuchte, die Wirkung zu ignorieren, die diese Nähe auf sie ausübte.
    »So ähnlich«, sagte er. Sein Atem berührte ihr Gesicht mit einem Hauch von Pfefferminz. »Was ist das?«
    Natalie konnte ihm nicht sofort antworten, und nicht nur, weil sie sich vorstellte, der Atemhauch sei eine Art Kuss: Momentan erlitt sie ihrerseits einen Schock. Alles, was sie in dieser Sekunde sehen und hören konnte, war der Kerl vom Ministerium, wie er sagte: »… ist völlig ausgeschlossen«, und sie dachte: Wie kann es ausgeschlossen sein? Wo Mappaware doch schon unkontrolliert erprobt wird? Wieso hast du mich angelogen? Wie kannst du da vor mir sitzen und mir etwas vorspielen, wenn du sie doch schon in dieser miesen, unbrauchbaren, fehlerhaften Version in der wirklichen Welt ausprobierst? Oder weißt du etwa gar nichts davon, du Drecksack?
    Sie spürte an ihrer Wange, wie der geduldige Jude ausatmete. Sie legte die Lippen vor den weichen Haarflügel über seinem Ohr und flüsterte fast unhörbar: »Das ist eine tragbare Version unseres großen Scanners im Therapiezentrum. Auf keinen Fall für den allgemeinen Gebrauch bestimmt.«
    Wer stellt sie her? Ist das die Seriennummer?, fragte er, indem er auf entsprechende Stellen wies.
    Sie antwortete, indem sie ihm die Katalogseite zeigte und hinzufügte: »Von der Nummer weiß ich nichts, ich habe sie für den Preis gehalten.«
    Wie viele?, fragte er, indem er mit den Fingern wackelte.
    Sie hob fünf Finger und einen Daumen, dann hob sie unsicher einen weiteren Finger.
    Er wies auf das Gerät im Bild und zuckte demonstrativ die Achseln: Wozu ist das gut?
    Sie blickte ihn an und begriff, dass eine vollständige Erklärung nicht nötig war. Mit einem angedeuteten Lächeln, von Befangenheit und Lust angestachelt, nahm sie seinen Kopf in die Hände und legte ihm die Fingerspitzen auf Schläfen und Gesicht, als wollte sie auf die gute alte Art der Vulkanier ihre Gedanken mit den seinen verschmelzen, wobei sie hoffte, dass er Raumschiff Enterprise überhaupt kannte, und drückte ihre Stirn gegen die seine: Sie liest Gedanken.
    Die Intimität, die nur aus ihrem Verlangen und seiner Einwilligung bestand, fühlte sich an, als sei sie so zerbrechlich wie eine Eierschale, wie Hochspannung, durch die ihr das Haar vom Kopf abstand. Sie blickten sich in die Augen. Er blinzelte langsam und musterte ihre rechte Gesichtshälfte, dann die linke, um zu sehen, hinter welchem Auge sie sich versteckte. Natalie spürte seinen sorgsam gezügelten Atem auf der Haut. Noch fünf Zentimeter, und sie hätten sich geküsst.
    Sie zuckte zurück, als sie sich ihrer selbst wieder bewusst wurde, doch er hatte sie durchaus verstanden.
    Sein Gesicht wurde immer ernster. Auf seiner Stirn waren Furchen.
    Und gibt ihnen neue Gedanken ein, fügte sie hinzu, indem sie ihm mit dem Finger etwas auf die Stirn schrieb.
    Sie bezweifelte, dass er merkte, was sie geschrieben hatte, so schnell und so zart war es geschehen: Küss mich.
    Es hatte auch sein Gutes, wenn man als verrückt eingestuft worden war: Für jede echte Entgleisung hatte man eine hervorragende Entschuldigung parat – jedes Mal, wenn die Fantasie sich Bahn brach in die wirkliche Welt. Schon seit einer Ewigkeit war Natalie nichts Derartiges mehr passiert. Dass es ausgerechnet jetzt geschah, regte sie so sehr auf, dass sie sich abwenden musste, damit er nichts davon bemerkte – falls sie es sich anmerken ließ. Sie gab vor, einige Befehle in ihren Schreibtischcomputer zu geben.
    Als Natalie wieder denken konnte, überlegte sie, dass sie

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