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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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Ausmerzung – von Persönlichkeiten hinauslief.
    Bis eben hatte Natalie nie daran gezweifelt, dass es eine gute Sache war. Trotz des Schadenspotenzials konnte Mappa Mundi für viele positive Ziele eingesetzt werden – Menschen ließen sich dadurch von biologisch oder durch ein traumatisches Erlebnis verursachten Geistesqualen befreien. Als Werkzeug zum Selbstverständnis und zur Selbstentwicklung war es unschätzbar. Daran glaubte Natalie felsenfest. Doch in ihrer Tasche steckte die Disk, ein greifbares Stück Böswilligkeit. Ihre Existenz – die von Anfang an vorhersehbar gewesen war, weil sie alle nur menschlich waren – weckte in Natalie ernste Zweifel an der Illusion, Mappa Mundi ließe sich beherrschen. Mappa Mundi stand unter der Schirmherrschaft der europäischen und der US-Regierung und unterlag strengster Geheimhaltung. Na und?
    Natalie hörte Guskow kaum zu, sosehr war sie in die Frage vertieft, was sie mit ihrem Wissen anfangen sollte. Denn vielleicht wusste er schon davon. Vielleicht gab es Rädchen innerhalb der Rädchen im Getriebe. Man brauchte kein Psychiater zu sein, um zu wissen, dass Menschen Geschöpfe mit vielen unterschiedlichen Identitäten waren, unterschiedlichen Loyalitäten und Schwächen. Jemand in dieser Besprechung war verantwortlich für die Abscheulichkeit, die sie soeben gelesen hatte, und sich nun in die Karten sehen zu lassen, konnte der schlimmste Fehler sein, den sie begehen konnte.
    Fast hätte das scharfe Gefühl von Gefahr und Furcht sie aus dem Saal getrieben. Natalie musterte Gesichter und wusste bei keinem, was in dem jeweiligen Menschen vor sich ging. Sie tastete mit der Hand nach der Disk und umschloss sie fest mit den Fingern: Du gehst nirgendwohin, Freundchen.
    Da er die Schlussfolgerungen seiner Zuhörer kannte, sagte Guskow: »In wenigen Monaten wird die Weltsicht der gesamten Menschheit sich verändern. Die letzten Grenzen unserer inneren Welten werden freigelegt, und unsere Wahrheit – die allgemeine und individuelle – wird für uns alle deutlich sichtbar, wie auch unsere Lügen, unsere Märchen, unsere Mythen und unsere Ängste. Glauben Sie keinen Augenblick lang, dass wir damit nur ungetrübte Freude wecken. Wenn wir uns endlich selbst kennen, wird die Wahrheit hinter gewissen Annahmen und Glaubensvorstellungen enthüllt, und alle Arten von Irrtümern werden ans Licht gebracht – und mit ihnen ihre Verursacher. Wir werden uns der Wirklichkeit stellen müssen, wie sie ist, und nicht der, an die wir geglaubt, auf die wir gehofft oder die wir herbeigesehnt hatten. Vor uns liegen schwierige Zeiten. Ohne Zweifel wird auch unsere Arbeit Zerstörer und Neinsager anziehen, vor allem aber Leute, die unser Ergebnis benutzen wollen, um andere Menschen zu unterdrücken und zu beherrschen. Wenn es so weit ist, müssen wir bereit sein.« Er hielt inne und blickte direkt in die Kamera.
    Natalie fand, dass er ein wenig übertrieb. Mappa Mundi war keineswegs der Endpunkt des Unternehmens, eher sein Anfang, doch in letzter Zeit wurden große Worte rasch gesprochen, vor allem, wenn Fünf-Sterne-Generale und Projektleiter aus den oberen Etagen der Pharmariesen einen in die Zange nahmen und hören wollten, was für tolle Ergebnisse man mit ihren zweihundert Milliarden Dollar nun endlich erzielt habe.
    Guskow hielt eine gewinnende Ansprache – wie eine Durchhalterede kam sie Natalie vor, nun, da sie darüber nachdachte: So etwas sagte man, um seine Bataillone für den letzten Angriff auf die schwer verteidigte Festung des Feindes anzustacheln, obwohl die Chancen, den Sturm lebend zu überstehen, zehn zu eins standen. Warum hielt er jetzt, wo er doch so positive Neuigkeiten zu berichten hatte, eine Rede wie diese? Fand denn niemand sonst sie merkwürdig? Doch ringsum klebten die Gesichter am Schirm, wie an einer Fliegenfalle, jeder war gebannt.
    Guskow begann über die Macht der Synergie zu sprechen, zu der sie alle beigesteuert hätten, die Erfahrung, als übergeordneter Geist einem höheren Zweck zu dienen, und Natalie machte sich allmählich Sorgen.
    Keinem seiner Zuhörer brauchte Guskow irgendetwas aufzuschwatzen. Sie alle hatten sich trotz ihrer begründeten Befürchtungen schon vor langer Zeit festgelegt. Zu wem also sprach er? Zu den Generalen und den Leuten von GlobalNervePath Systems und den Agenten neidischer fremder Mächte? Er sagte alles und nichts. Er war bis an die Grenze zur Langweile uninformativ, dennoch lauschte man ihm gebannt, denn keiner liebt

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