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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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weißt doch, dass du bis an dein Lebensende in den Knast wanderst, wenn du ihm auch nur ein Sterbenswörtchen von der Arbeit erzählst?«
    Trotz des Maschinengewehrstakkatos harter Worte klang ihre Stimme beschwörend. Dan wusste selbst, was für ein Idiot er war, doch echte Angst empfand er nur, wenn sie sich verhielt wie jetzt. Sein Kopf schien mit wolligen Wölkchen angefüllt zu sein, die dringend einen Bezugspunkt brauchten, ohne ihn von allein finden zu können. Natalie litt niemals unter solchen Erscheinungen. In ihrem Kopf leuchtete immer reines und messerscharfes Licht. Sie verstand ihn nicht, und er verstand sich nicht, aber er wusste, dieses Zeug half ihm, und jenes ließ ihn vergessen, dass er trotz seiner Befähigung zu seinem Job auf eine bestimmte, sehr wichtige Weise dämlich war und deshalb nie seinen Abschluss schaffen würde.
    »Ich hab ihm nichts abgekauft. Ich hab ihm nichts gegeben.« Zumindest das war die Wahrheit. Er konnte es aussprechen und ihr dabei ins Gesicht sehen, ohne zu zucken oder zu kichern; trotzdem klang er wie ein Kind, selbst in seinen eigenen Ohren. Er lächelte sie gewinnend an. »Möchtest du ’n Bier?«
    »Ich muss noch arbeiten«, entgegnete sie. »Später vielleicht.«
    »Du hast immer Arbeit.« Aha, das war sichereres Terrain.
    »Ich mag es so.« Und sie ließ ihn vom Haken, er hörte es an ihrer Stimme.
    »Du brauchst mehr Freizeit«, sagte er und glitt in eine bequemere Haltung. »Du solltest wirklich mal einen Abend mit Mister amerikanischer Verrückter oder sonst wem ausgehen. Jude, der große Unbekannte.«
    »Du nimmst mal die Pillen hier, Junge«, riet sie, und er hörte, wie sie ihren Computer hochfuhr. »Hier schreibe ich die Rezepte, und sonst keiner.«
    »Aber einen Tee?« Altjüngferliche Tante.
    »Aye, sicher, gern.« Nordenglischer Farmer.
    Dan war froh, als er aufstand. Wenn der Amerikaner wirklich ein Verrückter gewesen wäre, hätte Natalie das Gespräch niemals so weit kommen lassen, das stand fest. War dieser Jude also wirklich eine Art Agent? Sollte er das Shelagh Carter mitteilen? Dann aber dachte er: Ach was – wenn Natalie ihn mag, ist er in Ordnung. Sie würde es sofort merken, wenn er unaufrichtig ist. Wobei ihm einfiel …
    Er machte Tee und stellte ihr eine Tasse auf den wackligen alten Schreibtisch. »Weißt du was? Ich hab den Häkelmann heute etwas wirklich Schräges tun sehen. Komisch.«
    »Ach ja?« Sie stabilisierte mit dem Bein den Tisch und begann in einer ihrer Taschen nach irgendetwas zu suchen.
    Häkelmann war Dans Name für Bill, den Chefprogrammierer für NervePath-Systeme der Klinik. Obwohl er kein Psychologe war und sich auch mit keiner anderen Wissenschaft auskannte, herrschte ständig Bedarf an seinem technischen Verständnis für Hardware und Software, wenn die Ärzte und Forscher ihre Ideen in praktischen Programmcode umsetzen wollten. An vielen kühlen Tagen trug er einen Pullunder, der Dan zusammen mit seiner rosafarbenen Haut und dem rundlichen Körper an The Clangers erinnerte, eine alte Fernsehserie über gestrickte, pfeifende Außerirdische. Auch Bill pfiff, wenn er glaubte, allein zu sein; Dan hatte mit der Webcam des Büros heimlich Aufnahmen von ihm gemacht, mit denen er so gut wie jeden in der Klinik auch dann noch zum Lachen bringen konnte, wenn die Gemüter sich erhitzten. Solange die Arbeit gut voranging, flötete Bill La Marseillaise, und Opernarien, wenn es mühselig wurde, aber wenn er wirklich Probleme hatte, stieß er unablässig ein lang gezogenes »Pfiu« aus wie ein Fink, der vom Ast zu fallen droht.
    Dan sah zu, wie Natalie eine unbeschriftete Disk hervorzog und ins Laufwerk ihres Computers stieß. Sie schien sie aus irgendeinem Grund nicht zu mögen.
    »Ja. Er ist früher gegangen und sagte was von wegen Geld für seinen Urlaub abholen. Stattdessen spazierte er vom Parkplatz zur Haxby Road und pfiff die ganze Zeit vor sich hin.«
    »Etwas Schräges, hast du gesagt. So was ist bei uns doch normal.« Natalie ließ die Finger über die grauen Tasten tanzen und fuhr die Grafikprogramme hoch. Während sie luden, nahm sie einen Schluck Tee.
    »Willst du was wirklich Tolles hören?«, fragte sie. »Phase Eins und Zwei sind nun vernünftig querverknüpft.« Sie machte ein Gesicht, als wollte sie eine Fanfare ausstoßen, und fuhr mit den Händen durch die Luft.
    Dan hielt inne und vergaß sofort die lustige Geschichte über Bill und das Sicherheitssystem. Er blickte auf das Fachchinesisch, das plötzlich in der

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