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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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engen, effizienten Courier-Schrift auf dem Monitor erschien und das er nicht lesen konnte, ohne seine Kontaktlinsen einzusetzen. »Phase Eins und Zwei?«
    »Die Karte der Physischen Ereignisse und die Karte der Geistigen Ereignisse.« Natalie grinste und wartete, dass bei ihm der Groschen fiel. Er schwieg. Sie sagte: »Du weißt schon – es bedeutet, dass wir die greifbare Welt der chemischen Substanzen und elektrischen Vorgänge und die nichtphysische Welt der Geistesprozesse miteinander in Beziehung gesetzt haben. Das ist der ganz große Wurf. Die Grundlage, auf der man eine wirklich funktionierende Theorie des Bewusstseins erstellen kann. Das ist der Heilige Gral, Dan!«
    »Kapiert.« Er nickte weise.
    »Jawoll!« Sie ballte die rechte Hand zur Faust und stieß damit in die Luft. »Das war ein Tor. Bei einem Spiel zwischen zwei Hemisphären. Die Jungs sind völlig aus dem Häuschen!«
    »Du hast gesagt, es wäre ein Gral. Jetzt ist es ein Tor.« Er rieb ihr flüchtig über die Schultern und schaltete kurz auf jüdische Mama um. »Tor, Gral, blal. Ishmael! Hol mir ’nen Wal! ’n Gral, und sie sitzt immer noch in ihrem Zimmer vor ’nem kleinen Bildschirm, verdirbt sich die Augen, und kein Ehemann in Sicht. Ach, warum haste mir so eine Tochter geschenkt? Sie könnte doch wenigstens ein Kleid anziehen und versuchen, sich ganz normal zu benehmen, bevor ihre Eierstöcke verschrumpelt sind wie Rosinen und ihr Gesicht als Hundehintern durchgeht!«
    »Na ja.« Natalie war in guter Stimmung. »Noch ist es nicht der Gral. Mehr der Sockel, auf dem der Gral einmal stehen soll. Aber du weißt schon, was ich meine.« Das Grafiksystem baute auf dem Display langsam ein Bilderpaar auf, Seite an Seite.
    Während die Grafiken sich Ebene für Ebene vervollständigten, bildeten sie eine grobe dreidimensionale Darstellung zweier Gehirne. Natalie fügte hinzu: »Für Bill klingt das schon recht schräg. Der Druck muss ihm zu schaffen machen. Eine Woche Malta wird ihm gut tun.«
    »Ja, kann sein.« Dan war sich nicht sicher. »Auf jeden Fall musst du dir zur Feier des Tages wenigstens einen picheln, Süße, sonst ist das doch nichts. Was soll das darstellen?«
    »Das Rechte ist eine Probe von Tony Clearwater, dem paranoid Schizophrenen, der neulich wegen des freiwilligen Therapieprogramms gekommen ist, an dem mein lieber alter Dad mitarbeitet«, sagte sie. »Was meinst du, sieht es genauso aus wie das dort? Nur nach der Zonenfarbe?«
    Was sie sahen, war eine Darstellung, die unterschiedliche Aktivitätsniveaus farblich kennzeichnete und grob die Vorgänge während einiger Minuten Denkarbeit nachbildete. Dan sah vom einen zum anderen und stützte sein Kinn auf ihren Scheitel. »Ja. Ziemlich ähnlich. Hier an der Stelle nicht … aber vor allem in den Schläfenlappen und dem Ding da.«
    »Im Corpus amygdaloideum«, sagte sie und versuchte ihn abzuschütteln.
    »Ja. Du solltest sie mal waschen, weißt du«, sagte er und zupfte an ihren fünf Zentimeter langen Strähnen. »Du wirst dich wundern, welche Farbe dann rauskommt.«
    »Gut«, murmelte sie, »und nicht gut.«
    »Wie bitte?«
    »Ich gehe aus«, sagte sie und wirbelte mit ihrem Stuhl herum, dass sie ihn fast umwarf. Er rang mit seiner Teetasse und verbrannte sich leicht die Fingerspitzen.
    »Na, toll.«
    »Ja. Aber allein.«
    »Natalie!«
    »Wir treffen uns. Um neun. Im … im Black Swan.«
    »Warum? Wohin gehst du?«
    Sie stand auf und schob ihn zur Tür. »Geh schon. Ich muss mich jetzt umziehen.«
    »Natalie, was hast du vor?« Doch sie erklärte ihm nichts, sondern schob nur fester, und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    »Natalie!«, rief er, doch sie antwortete nicht. Er hielt inne. »Essen wir auswärts, oder soll ich die sechs Monate alte Karotte futtern, die vom letzten Mal, dass einer von uns eingekauft hat, noch übrig ist?«
    »Wir essen was«, lenkte sie ein. »Und wenn dir das Warten zu lang wird, kannst du ja den Herd sauber lecken.«
    Er lauschte eifrig und glaubte, dass sie jemanden anrief. Wenn er das Ohr ans dünne Hartholz presste, konnte er fast den Wählton hören.
    »Zisch ab, Dan!«, rief sie. »Ich sehe deinen Schatten durch die Türritze!«
    Widerwillig schlenderte er zum Sofa und schaltete den Fernseher ein. Er fühlte sich ein wenig lustlos und ausgeschlossen. Natalie durfte kein geheimes Leben führen. Das war unnötig. Er hatte keine Geheimnisse vor ihr, sondern erzählte ihr alles. Immerhin gingen sie heute Abend aus, und darauf freute er sich. Er

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