Mappa Mundi
…«
»Jude, hier ist Moni. Ich weiß, du bist angeblich hier bei mir, aber deine Chefin ruft dauernd bei mir an und will dich sprechen, und ich gehe schon nicht mehr an den Apparat, wenn sie dran ist, und ich rufe auch nicht zurück. Weißt du, sie will mir einfach nicht sagen, worum es geht, und ich weiß zwar, dass du etwas …«
Eine nach der anderen hörte er sich alle achtunddreißig Nachrichten an. Kein Lebenszeichen von White Horse darunter.
Jude goss sich ein Glas Wasser ein und setzte sich einen Augenblick an den Küchentisch, den Kopf zwischen den Knien, und dachte nach.
Wohin, zum Teufel, mochte sie gegangen sein? Wollte sie das Gerät loswerden, oder hatte sie es noch und ließ es ängstlich nicht aus den Augen, weil sie fürchtete, er könnte sie an die andere Seite verraten? Das Haus in Deer Ridge war zerstört, aber sie hatte jede Menge Freunde überall im Land, die sie aufsuchen konnte. Die meisten waren Mitglieder der Indianerbewegung. Zu offensichtlich. Es wäre unklug gewesen, ihre Probleme dorthin zu tragen. Wohin dann?
Nur für den Fall rief er wieder ihr persönliches Pad an.
Eine Frau ging an den Apparat, aber nicht White Horse, das sah er sofort, und er unterbrach den Anruf, bevor er es überhaupt richtig begriffen hatte. Der Schreck durchfuhr ihn wie ein steifer Whiskey und lähmte ihm Hände und Füße.
Mit ungeschickten Fingern rief er das Bild wieder auf das Display zurück und untersuchte es mit starrem Blick auf das kleinste verräterische Detail. Er bat seinen FBI-Datapilot-Service, den Ort des Anrufs zurückzuverfolgen, hatte aber keine große Hoffnung, dass es möglich war. White Horses Pad war zwei Jahre alt, und er bezweifelte, ob es so viele Daten mit übermittelte.
Die Frau kannte er nicht. Sie schien in einem Fahrzeug zu sitzen. Vielleicht war das Pad gestohlen worden … doch sein Bauch sagte etwas anderes. Er trank einen Schluck kaltes Wasser und gelangt immer mehr zur der Überzeugung, dass White Horse sich rasch aus seiner Reichweite entfernt hatte und in Schwierigkeiten steckte. Allein der Umstand, dass seine Wohnung unberührt zu sein schien, gab zu der Hoffnung Anlass, dass White Horse sie noch aus freien Stücken verlassen hatte.
Er beauftragte seinen persönlichen Datapilot Nostromo, den Screenshot des Gesichts zu analysieren und den Aufenthaltsort zu ermitteln, indem er die Einzelheiten vergrößerte, die Jude wahrscheinlich übersah. Während er auf Antwort wartete, rief er Mary an.
»Hallo, wie geht’s?«, rief sie erfreut. »Wie war die Bai? Nicht genug Sonne für dich? Oder wollte der Wind nicht recht die Segel blähen? Du bist so früh zurück.«
»Hallo«, sagte er und versuchte, doppelt so aufgekratzt zu klingen, wie er sich fühlte. »Du kennst mich doch. Ich kann einen Fall nicht so lange aus den Händen geben. Nach deinem Anruf dachte ich, ich sollte so rasch wie möglich zurückkommen.«
»Ich fürchte, es sieht ganz so aus, als könnten wir niemandem etwas nachweisen. Sie haben hinter sich zu sorgfältig sauber gemacht. Aber nächste Woche bekommen wir vielleicht ein neues Puzzlestück in die Hände. Wir sind nach Utah eingeladen, um ein neues Bioverteidigungs-System zu begutachten. Kommt dir das bekannt vor?«
Doch in diesem Augenblick fiel Jude nichts dazu ein. »Okay«, sagte er ausweichend. »Wir sehen uns morgen im Büro.«
»Klar.«
Er legte auf, und in der Stille, die auf das Gespräch folgte, saß er da und versuchte sich ein neues Abwehrsystem vorzustellen, das Iwanows Babyperfektionierungs-Unternehmen einschloss, und gab es schließlich auf. Im Moment konnte ihn nicht einmal aufmuntern, dass es ihnen gelungen war, Iwanow aus seinem durch Regierungsmittel finanzierten Versteck zu verjagen und mit Schwarzmarktgeschäften in Verbindung zu bringen. Im Dossier stand Iwanow mit Guskow in Verbindung, und Guskow mit White Horses schwarzem Apparat und Natalies Programmen – mit so vielem, dass es ihm nicht gelang, alles zu einem schlüssigen Bild zusammenzufügen.
Nostromo meldete sich mit den angeforderten Informationen über das Pad und seinen Aufenthaltsort. Jude nahm die Adresse und las sie müde und hoffnungslos.
Fort Detrick, Maryland.
Ein Militärstützpunkt? Er konnte es nicht fassen. White Horse wäre freiwillig niemals auch nur in die Nähe eines solchen Stützpunkts gegangen. Sie musste festgenommen worden sein. Aber die Army? Wer? Warum? Und weshalb nicht in ein Militärgefängnis? Zum Teufel, weshalb nicht in einfachen
Weitere Kostenlose Bücher