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Márai, Sándor

Márai, Sándor

Titel: Márai, Sándor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die vier Jahreszeiten
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allein in seiner Zelle – glaubt er an nichts.
    Seine Art zu schreiben war zu sehr Stil, das konnte man immerfort spüren. Guten Stil spürt man nicht. France schreibt ausgezeichnet, aber das wird in jedem seiner Sätze offenkundig. Alles, was menschlich oder göttlich ist, nimmt er andächtig in seine Hände, doch dann wirft er Menschliches wie Göttliches sogleich hoch und beginnt damit selbstvergessen und mit gleichmütigen Bewegungen zu jonglieren. Auch von Gott spricht er – augenzwinkernd –, als wüsste er etwas über Ihn, wollte aber jetzt nicht darüber reden.
    DROGERIE
    Diese Minuten in der Drogerie, während du Rasierklingen kaufst und plötzlich die Dufterinnerungen mit einer wie eine körperliche Insultation anmutenden Attacke deine Nase anfallen: das erste Abenteuer, das elterliche Badezimmer, der große Hausputz, die Sommerfrische, die Geruchserinnerungen des Winters; zusammengepanscht aus Salmiakgeist, Kölnischwassser und Mückenvertilgungsmittel, aus Laugenseife und Waschblau für die große Wäsche, Lavendelwasser, aus den kühlen Düften des Wäscheschranks, Kampfer und Naphtalin, aus dem Birkenwasser, das Vater benutzt hat, und nach ihm war das Bad stets so wohlriechend feierlich, ferner aus Franzbranntwein, Nagellack, Haarpomaden und anderen geheimeren und vertraulicheren Mitteln, aus einer Mischung von Salben und Düften, gewöhnlich und aggressiv wie das Leben, das man nicht parfümieren kann und muss und das schließlich trotz Kampfer und Lavendelwasser verderblich ist und fault.
    GALANT
    Ein wirklich vornehmer Mann schickt nur derjenigen Frau Blumen, von der er sich nichts erwartet. Die andere, die weiß, dass man um ihre Gunst buhlt, verachtet das Blumenpräsent. Als wollte man einen Arzt, von dessen Aufmerksamkeit und Zuneigung unser Leben und Schicksal abhängt, mit Zigarren bestechen.
    DIE WELT
    Es braucht seine Zeit, bis der Mensch begreift, und dann noch weitere Zeit, bis er auch davon überzeugt ist, dass die Dinge in der Welt sich auf genauso primitive Weise vollziehen, wie uns die Sprichwörter lehren. Du musst lernen, dass alles, wonach du nicht strebst, früher oder später eintrifft, dich einholen wird, was und wer dir nicht so wichtig ist, für den wirst plötzlich du wichtig und geschätzt sein, die Frau, zu der du kühl bist, wird dich mit ihren Blicken verfolgen, das Geld, nach dem du dich nicht bückst, eines Tages an deine Tür klopfen … Ja, das Leben ist ganz genauso wie in schlechten Romanen.
    Aber ein wenig auch so wie in guten Romanen, wo nicht alles den sprichwörtlichen Weg geht und gesetzmäßig abläuft. Dazu bedarf es weiterer Zeit. Dann wirst du feststellen, dass die Frau, die du liebst, auf dich pfeift, vergeblich bezauberst du sie mit deinem kühlen Gleichmut, das Geld, für das du dich ehrlich geplagt hast, findet selbst durch Bemühungen von Advokaten und Richtern seinen Weg nicht zu dir, der Erfolg, dem du nicht nachgelaufen bist, den du aber verdient hättest, zieht an dir vorüber, mit irgendeiner Nutte im Schoß. Da zwinkerst du, verstehst die Welt nicht. Ja, das ist hart.
    ÜBER EINEN ERFOLG
    Er fing als Anwalt an, in Arras, war aber so sanft zu seinen Klienten, so voller Anteilnahme und Befangenheit, dass er das harte, spitzfindige und aggressive Geschäft bald aufgab; wurde Richter, doch bei der ersten Gelegenheit, als er über einen Raubmörder die Todesstrafe verhängen musste, erfüllte ihn Abscheu vor seinem Amt, und er dankte ab. Von diesem Augenblick an kämpfte er gegen diese sanften, empfindsamen Neigungen seines Charakters mit Methode an. Und diesen Kampf hat er erfolgreich bestanden. Zehn Jahre später war er in Paris Robespierre.
    ROBINSON
    Später merken wir, dass jedes Abenteuer, das mit schwellenden Segeln und Delfinen begann, mit irgendeiner Robinsonade endet. Wir sitzen auf der Insel der Einsamkeit, zitternd, mangelhaft bekleidet, inmitten von Erlebnismüll: Irgendwo liegen noch eine Rumbuddel, ein Sonnenschirm, vielleicht auch ein Revolver, einige Orangen und Zwieback … Doch wir hören nichts anderes mehr als den Wellenschlag des Meeres der Einsamkeit, wissen, dass wir allein geblieben sind in der Welt und jetzt ohne die Hilfe eines Kameraden aus Trümmern und Abfall die neue private Rechtsordnung und unseren persönlichen, exklusiv gültigen Kalender schaffen müssen; irgendwo meckern Ziegen, und wir warten schon auf Freitag, der in Infinitivsätzen redet und Kunde bringt von einer wilden und grausamen Menschheit. So endet jedes

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