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Márai, Sándor

Márai, Sándor

Titel: Márai, Sándor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die vier Jahreszeiten
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Folgendes notieren:
    »Was war an dieser Frau so unterhaltsam, so bestechend und entwaffnend bedeutungslos, dass man unter all den interessanten, schönen, lauten und ins Auge fallenden Frauen gerade auf sie aufmerksam werden musste? Irgendetwas hatte sie, etwas Stummes und Strahlendes. Man sah sie an und verstand plötzlich, dass man bisher gefröstelt hat, es nun aber genügt, sich neben sie zu setzen, um nicht mehr zu frieren. Es stimmt, an ihrer Seite läuft man nicht Gefahr, von besonderer Hitze versengt zu werden; diese Frau lodert nicht. Aber sie wärmt, wie ein alter Kachelofen, der zum Winteranfang einmal von den Flammen duftender Holzscheite durchwärmt wurde und dann bis zum Frühling still vor sich hinglimmt. Deshalb nahm ich, ohne irgendwelche Hoffnungen oder Ansprüche, neben ihr Platz; und wärmte mich.«
    EIN BETRUNKENER
    Der alte Amerikaner kam in der Nacht an, und am nächsten Tag setzte er sich auf die Hotelterrasse, nahm dort sein Mittagessen ein, dem Tal und dem Wald gegenüber, im letzten Licht der Jahreszeit. Er aß Haferschleimsuppe und trank lauwarmes Wasser dazu.
    Der Mann war schon sehr alt und kleidete sich hier in den Bergen ein wenig übertrieben, gemsenhaft. Die Kellner, die er englisch ansprach, antworteten höflich und diensteifrig, aber deutsch. So saß er nur in der Sonne und zwinkerte vor sich hin. Nach dem Mittagessen bestellte er eine Schüssel Weintrauben.
    Von den gelbreifen, hartschaligen Beeren bekam er unerwartet einen Schwips. Er zupfte eifrig von den Trauben, lehnte sich zurück in seinem Armstuhl, blinzelte mit seinen klebrigen Augen und begann leise, murmelnd vor sich hin zu singen: summte im herbstlichen Rausch, wie auch die alten, dicken Hummeln brummen, von der Welt berauscht, von den honigsüßen Weintrauben und davon, dass er noch lebte, noch einmal die Sonne sah, den rotgelben Wald, die Welt, die sich ihm hier als ein indifferentes Landschaftsbild darbot. Er verzehrte zwei große Traubenbüschel und sang immer lauter; war schon ganz trunken in seinem übersinnlichen Taumel und sang überglücklich. Dann kam die Pflegeschwester heraus, fasste ihn am Arm und begleitete den schwankenden alten Halunken auf sein Zimmer.
    STUNDENPLAN
    Um sieben schrieb ich in der Redaktion einen Artikel. Um acht hat mich L. aufgesucht, er war gerade aus Russland zurückgekehrt und ist jetzt enttäuscht. Aufmerksam hörte ich mir seine Klagen an. Das machte mich müde: Ich begab mich auf die Straße hinunter, blieb in der Toreinfahrt kurz stehen und sog den Geruch des Herbstregens tief in mich hinein. Zu Fuß ging ich im Regen zum Club, schaute dort längere Zeit den Kartenspielern zu. Unter ihnen saß völlig entrückt ein Schriftsteller und beschwor das Glück, das ihm nicht hold war, mit Gesten und Gegenständen. Lange betrachtete ich sein aufgewühltes Gesicht. Im Weitergehen trat ich in einer Seitengasse in ein Flohkino ein und sah mir die Schlussszenen eines berühmten Films an, sie zeigten, welche Verwüstung Heuschrecken hinterlassen. Ich hatte noch niemals Heuschrecken gesehen. Die Bilder waren wunderbar anschaulich, nun weiß ich doch, in groben Zügen, was eine Heuschreckenplage ist, dachte ich. Langsam lernt der Mensch die Welt kennen.
    Gegen Mitternacht war ich wieder auf der Straße. Die Zeitungskolporteure priesen die Extraausgaben der Gazetten an, ich kaufte mir ein Exemplar und erfuhr, dass die Japaner, während ich im Club herumlungerte, Nanking zerbombt hatten. Ich stopfte die Zeitung in die Tasche, ging an einem Kaffeehaus vorbei und erblickte durchs Fenster in Gesellschaft eines fremden Mannes eine Frau, die ich einmal geliebt hatte. Wir grüßten uns korrekt, wie Einbrecher, wenn sie sich nach erfolgreich erledigter Arbeit in der Straßenbahn begegnen. Um Mitternacht blinkten hinter Regenschleiern die Sterne auf. Ich blickte zum Himmel und wunderte mich.
    DIALOG
    Die Handwerker der Bühne nehmen sich gar so wichtig mit dem Dialog. Was für ein Geheimnis! Welch geheimnisvolle Wissenschaft! Doch allmählich durchschauen wir ihre Finesse. Alle schreiben dasselbe, seit Euripides:
    Sie: Liebst du mich? …
    Er: Ja, aber …
    Und das variieren sie fünfzehn Bilder hindurch.
    SASAD*
    Ein Tag gegen Ende Oktober. Ich stehe mittags auf dem Hügel vis à vis von Budaörs, irgendwo auf einer Lichtung des Kammerwaldes.
    Der Wald ist blassblond; von einer Art roher, sinnlicher Blondheit, deren Lockung wir nicht widerstehen können. Etwas spricht uns da an, persönlich, mit der

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