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Márai, Sándor

Márai, Sándor

Titel: Márai, Sándor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die vier Jahreszeiten
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überrascht feststelle. In diesen Tagen kann es vorkommen, dass ich durch die Straßen laufe, vor Auslagen stehen bleibe und interessiert hineingucke: Feuerzeug, brauche ich nicht, Fotoapparat, Victor Hugos sämtliche Werke in Leder, Taschenmesser in Perlmuttgehäuse mit fünferlei Klingen, Korkenzieher, Nagelfeile und Pfeifenbesteck, brauche ich nicht. Überhaupt brauche ich keinerlei Utensilien mehr, und wenn ich es recht überlege, verzichte ich auch auf Indien, Australien und auf den Mars, die Artikel meiner Feinde lese ich mit Interesse, und ins Theater gehe ich nach Möglichkeit gar nicht. Dennoch, auf irgendetwas warte ich noch. So viele Weihnachten sind vergangen, ganz finstere, dann andere, glänzende, warme und duftende, so viele Feste, und ich stehe immer noch da, mitten im Mannesalter, mit ergrauendem Haar, voller Verpflichtungen und Versprechungen, die selbst ein Engel nicht mehr einlösen könnte; und immer noch warte ich auf etwas.
    Manchmal glaube ich, dass ich auf Liebe warte, Liebe als Zuwendung. Vermutlich ist dieser Hunger nicht zu stillen: Wer einmal davon gekostet hat, möchte sie bis ans Ende nicht mehr missen. Inzwischen habe ich aber gelernt, dass man Liebe nicht bekommen kann, man muss sie immer nur geben, so ist sie zu handhaben. Auch musste ich erfahren, dass es nichts Schwierigeres gibt, als Liebe auszudrücken. Dichtern ist es nicht gelungen, niemals, den Poeten, die doch alle Feinheiten des Gefühls und der Leidenschaft in ihrer Sprache auszudrücken vermögen. Die Liebe kennt keine Farbnuancen wie die Zärtlichkeit, keine Wärmegrade wie das Verliebtsein. Was sie ausmacht, kann man nicht in Worte fassen; wenn man es ausspricht, ist es bereits gelogen. In der Liebe kann man nur leben wie im Licht, wie in der Luft. Ein organisches Wesen kann vielleicht gar nicht anders leben als in Wärme, in Licht, in Luft und in Liebe.
    In diesem Wissen, einem immer verlegeneren und sichereren Wissen, kann ich gar nichts anderes tun, als Geschäfte abzuklappern und Feuerzeug, Parfums, Krawatten und die Schaffnerzange, die Dampfeisenbahn sowie Victor Hugos gesammelte Werke zu kaufen. Ich weiß, all das ist hoffnungslos. Doch was soll ich tun? Der Mensch gibt, was er zu geben vermag.

ERFOLG
    Irgendetwas haben wir in uns, etwas Wohlfeiles und Lockeres, an das wir argwöhnisch und voller Skrupel denken, wie der Sammler an ein zweifelhaftes Sammelobjekt, das er daheim im Geheimfach seines Schrankes verwahrt: ein ominöser Wertgegenstand, wir zeigen ihn nicht gern, und doch, es ist unser Talent, ein Gedanke, eine Idee, die einen Ruf begründet … Eines Tages lüften wir unser billiges Geheimnis, und die Trommeln des Erfolgs beginnen zu wirbeln.
    EINE SCHAUSPIELERIN
    Zwischen ihren Tiegeln und Töpfchen, Wiener Läppchen und verfärbten Hasenpfötchen saß sie immer wie eine Quacksalberin, die die Einzelteile von Schicksalen und kommenden Ereignissen zusammenrührt, verschmiert, mit nicht ganz sauberen Händen, ein wenig nach Äther riechend, manchmal unheilvoll aufflatternd zwischen ihren Federn und Roben, dann wieder in ihre zerschlissenen Fetzen gehüllt, murmelnd und Zauberformeln brabbelnd, kleinbürgerlich und hexenhaft, etwas ordinär und doch auch so, als bete sie immerfort in Versen. Sie war nicht mehr jung. Richtig, auch noch nicht alt. Eben eine Schauspielerin.
    FREUNDSCHAFT
    Gibt es noch die Freundschaft auf der Welt? Junge Menschen glauben, es gibt sie; aber dann müssen sie erfahren, dass das, was sie für Freundschaft hielten, nur Kameradschaft war. Die Freundschaft ist eine viel komplexere, schmerzlichere und rabiatere Verbindung als die Liebesbeziehung. Der Verliebte will geben und bekommen. Ein Freund kann nur geben.
    Freundschaft in dem Sinn, lakonisch, wie zwei Menschen, ohne Handschlag und Versprechen, lebenslang einer für den anderen einstehen: Diese männliche, diese kraftvolle und tugendhafte Sympathie, gibt es sie noch? Ich sehe kluge und einsame Menschen allerorten; unter ihnen, sporadisch, ein paar eifrige Päderasten.
    ROSE
    Der Mensch muss viel riechen, schmecken und berühren, bevor er feststellt, dass er am allermeisten wohl doch die Rose geliebt hat.
    SCHOPENHAUER
    Wir begegneten uns im Foyer des Theaters. Ich lobte seine Schuhe und seine Frisur. Er sah mich mit freundlichem Blick an und bat mich, ich möchte ihn dem berühmten Dramatiker vorstellen.
    »Aber der schreibt doch idiotische Stücke«, entgegnete ich ihm besorgt.
    »Trotzdem«, sagte er.
    Ich

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