Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
mehr nicht.
    Blieb noch Badoux junior.
    Er war der einzige, der mich
interessierte, obwohl auch er unschuldig war. Trotzdem hatte er alle angelogen
und den wahren Grund für seinen Besuch bei Cabirol verschwiegen. Falls er in
irgendeine dunkle Geschichte mit dem Opfer verwickelt war und das rauskam, dann
konnte sich der finanzkräftige Papa glücklich schätzen, wenn ein talentierter
Detektiv meines Kalibers dem Herrn Sohn aus der Patsche half.
    Ich kaute eine gute Stunde
darauf herum, wobei ich eine Pfeife nach der anderen rauchte. Überlegungen und
Tabak machten mich durstig. Im Büro hatte ich nur Armagnac. Meine Kehle
verlangte aber eine weniger edle und weniger starke Flüssigkeit. Also ging ich
ins Bistro gegenüber, wo ich eine größere Auswahl hatte.
    Auch wenn es einigen Leuten
nicht gefällt: manchmal bringt es was ein, Durst zu haben und ein Gläschen zu
trinken.
    Als ich das getan hatte und
wieder auf die Straße trat, fiel mir die Schachtel Zigaretten hin, die ich noch
gekauft hatte. Sie schlidderte über den Bürgersteig in Richtung Gully. Ich
bückte mich danach. Ein Fußgänger schlug einen Haken; einmal, um nicht gegen
die Zigaretten, und zum zweiten, um mir nicht auf die Hand zu treten. Eine
Sekunde später blieb ein Schuh, diesmal ein Frauenschuh, ein paar Zentimeter
vor mir stehen.
    Ich fühlte mich zwei Tage
zurückversetzt.
    Nun gibt es auf der Welt nicht
nur ein Paar Frauenschuhe aus Schlangenleder. Wäre auch zu schön. Für die
Schlangen. Und die Möglichkeiten eines solchen Zufalls, die ich gleich wieder
verwarf, wäre ebenfalls zu schön gewesen. Für einen
Detektiv...
    Dennoch hatte ich Herzklopfen,
als ich mich aufrichtete und die Frau ansah.
    Ich träumte nicht.
    Sie war es.

Die Blonde
     
    Sie hatte eine Wildledertasche
unter den Arm geklemmt, in der Hand hielt sie ein Päckchen aus einem
Modegeschäft. Ihren Regenmantel hatte sie gegen ein graues Sportkostüm
eingetauscht. Als Farbfleck ein smaragdgrünes Halstuch.
    Die goldblonden Haare fielen
schwer auf die Schultern. Leicht hervorspringende Wangenknochen verliehen dem
Gesicht einen exotischen Charakter. Die dunkelgrauen, grünlich schimmernden
Augen paßten gut dazu. Ihre auffallend langen Wimpern flatterten übernervös.
Die kleine Nase war gerade und schmal. Entzückend, wie man so sagt. Die
sinnlichen Lippen ließen an eine schöne reife Frucht denken. Das knallige Rot
rief in mir eine Erinnerung wach, bei der mir unbehaglich wurde.
    Im Treppenhaus von Jules
Cabirol hatte ich ihr Gesicht nicht richtig gesehen. Es war zum Teil durch das
Taschentuch und die Kapuze verdeckt gewesen. Hätte zum Identifizieren bestimmt
nicht gereicht, wären nicht diese Schlangenlederschuhe hinzugekommen. Aber das
junge Mädchen stand starr vor Schreck vor mir und sah mich zu eigenartig an.
Wie Don Juan vor der Statue des Kommandanten.
    Als sie dann noch ihre
behandschuhte Hand an den Mund hob, um den fälligen Schrei zu ersticken, hatte
ich keinen Zweifel mehr.
    „Fallen Sie nicht um“, sagte
ich und nahm schnell ihren Arm. „Es gibt Häßlichere als mich!“
    „Um Gottes willen!“ stammelte
sie.
    „Die Welt ist klein, nicht
wahr? Wenn ich mich nicht irre, sind wir uns schon mal begegnet.“
    Sie versuchte nicht, es
abzustreiten.
    Ihr verstörter Blick schien
sich nicht von meinen Lippen lösen zu können. Er verfolgte deren angestrengten
Versuche, sich zu einem gekünstelten Lächeln zu verziehen.
    Zu Tode erschrocken nickte sie
zustimmend:
    „Ja, ja...ich...ich glaube...“
    Ihre tonlose Stimme klang müde.
Sie machte übrigens überhaupt einen todmüden Eindruck.
    Ein Straßenjunge amüsierte sich
über unsere Eheszene, drehte sich noch mehrmals zu uns um und lachte blöd.
    „...Au! Lassen Sie mich bitte
los, Monsieur. Sie tun mir weh.“
    Unbewußt hatte ich wohl ihren
Arm fester gedrückt als notwendig.
    „Von wegen!“ sagte ich. „Damit
Sie abhauen, hm? Nicht nochmal! Wenn wir uns schon wiedertreffen, wollen wir
auch nett miteinander plaudern.“
    „Wie Sie wollen“, resignierte
sie.
    Ich ließ ihren Arm los.
    Sie blieb wie angewurzelt vor
mir stehen. Das gefiel mir gar nicht. Fast wär’s mir lieber gewesen, sie hätte
zu fliehen versucht. Darauf hätte ich mir wenigstens einen Reim machen können.
Aber so... dieses verängstigte kleine Mädchen...
    Ich hatte das dumme Gefühl, mit
einem Sieb Wasser zu schöpfen... Du lieber Gott! Ich und meine Phantasie!
    „Gehen wir in mein Büro“,
schlug ich vor.
    „Ihr

Weitere Kostenlose Bücher