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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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verdrehte
die Augen und stieß leise, klägliche Jammerlaute hervor. Als sie vom Sessel
rutschte, holte ich die Krankenschwester.
    „Helfen Sie mir mal bitte,
Hélène. Sie ist gerade in Ohnmacht gefallen.“
    Hélène tat so, als klapperte
sie auf der Schreibmaschine. Jetzt unterbrach sie die vorgetäuschte Arbeit und
richtet ihren Blick auf meine rechte Hand.
    „Vielleicht mag sie es nicht,
wenn man ihr den Slip auszieht“, gab sie mir zu verstehen.
    Fluchend pfefferte ich das Ding
in die Ecke.
    Endlich ließ Hélène ihre Underwood alleine und ging, vielsagend
lächelnd, ins Direktorenzimmer. Dort bemühte sie sich um die Ohnmächtige.
    „Wer ist sie?“ erkundigte sie
sich während der Operation. „Eine Klientin?“
    „Ein Zeitvertreib.“
    „Wird immer besser. Ich...“
    Sie sprach nicht weiter. Odette
kam wieder zu sich. Fragte nicht: ,Wo bin ich?’ Das
macht man heutzutage nicht mehr. Sie brach in Schluchzen aus. Das macht man
immer noch.
    „Beruhigen Sie sich“, sagte
Hélène sanft. „Er ist schon lange nicht mehr gefährlich.“
    Sie half der Blonden in den
Sessel.
    Ich schenkte ihr ein drittes
Glas ein. Sie rührte es aber nicht an.
    Wie ein geprügelter Hund sah
sie mich mit ihren feuchten Augen an. Die Tränen hatten die Wimperntusche ganz
verschmiert. Trotzdem sah sie immer noch sehr schön aus.
    „Entschuldigen Sie bitte“,
stammelte sie. „Ich...Diese Ängste seit zwei Tagen... Die Anspannung...Ich
möchte jetzt gehen.“
    Sie versuchte, in diesen
letzten Satz soviel Kraft wie möglich hineinzulegen. Manche Waschlappen
strahlen mehr Energie aus.
    „Nicht in diesem Zustand“,
sagte ich. „Ruhen Sie sich etwas aus. Warten Sie, bis daß Sie sich beruhigt
haben.“
    Ich machte Hélène ein Zeichen.
Sie konnte wieder an ihren Klapperkasten gehen. Ohne überflüssigen Kommentar
zog sie sich zurück.
    Odette Larchaut und ich waren
wieder alleine und schwiegen uns an. Nach und nach beruhigte sich das Mädchen.
Sie atmete immer weniger heftig. Die Tränen hörten auf zu fließen. Sie
trocknete die letzten mit ihrem zerknüllten Taschentuch, putzte sich die Nase.
Dann seufzte sie nochmal, fuhr sich mit der Hand über die schweißbedeckte
Stirn, strich sich die Haare zurück, die ihr ins Gesicht fielen.
    Ich räusperte mich:
    „Hm... Ich wollte nicht boshaft
sein, glauben Sie mir.“
    Sie antwortete nicht.
    „Anscheinend hab ich
unangenehme Erinnerungen geweckt...“
    Ein kleiner Schluchzer. Nicht
mehr.
    „Wenn ich Sie richtig verstehe,
dann war Cabirol so einer, hm? So ein geiler Bock. Bißchen schleimig, kein
Kostverächter bei jungem Gemüse. Er wollte also...“
    „Ich bitte Sie, Monsieur“,
hauchte sie.
    „Hören Sie, meine Liebe. Ich
muß das wissen. Sitz nämlich auch mehr oder weniger in der Tinte.“
    Ich zog einen Stuhl ran und
setzte mich der Blonden gegenüber.
    „...Also? Ja oder nein? „
    „Ja.
    „Aber er ist nicht aufs Ganze
gegangen. Hat nur versucht, Sie zu küssen?“
    „Ja.“
    „Da haben Sie den Brieföffner
vom Schreibtisch genommen und haben zugestochen.“
    Ihre Augen wurden schiefergrau
wie ein trüber Regenhimmel, hatten plötzlich dunkle Ringe. Sie sah mir mit dramatischer Unbeweglichkeit ins Gesicht:
    „Entsetzlich...“
    Ich hob die Schultern und
klopfte ihr väterlich aufs Knie: „Nun übertreiben Sie mal nicht. Cabirol war
ein ziemlich dreckiges Schwein, sogar in mehrerer Hinsicht.“
    Sie schrie mich beinahe an:
    „Aber verstehen Sie denn nicht,
Monsieur Burma? Ich... ich hab’s nicht getan! „
    „Sie haben ihn nicht getötet?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ich lächelte sie an:
    „Na ja, dann war er vielleicht
doch nicht das vollendete Schwein, wofür ich ihn hielt. Konnte so was wie
Gewissensbisse bekommen und hat sich eigenhändig das Herz durchbohrt. Um sich
selbst zu bestrafen, für sein Verhalten Ihnen gegenüber.“
    Sie schüttelte wieder den Kopf.
Ihre Haarpracht wirbelte in alle Richtungen:
    „Sie sind grausam...“
    Sie verbarg das Gesicht in den
Händen und beugte sich vor, die Ellbogen auf den Knien. Durch ihre Finger
stammelte sie: „...Er hat mich... ja, er hat mich geküßt... heftig... sehr...
hat mich an sich gepreßt... ich hab mich losgemacht... hab ihn
zurückgestoßen... dann bin ich rausgelaufen, halbtot vor Scham…“
    „...und haben mich unten im
Treppenhaus getroffen.“
    „Ich... ja... kann sein... ich
weiß es nicht mehr.“
    „Aber ich weiß es. Ich weiß
auch, daß Sie wiedergekommen sind...vielleicht nicht

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