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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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gerade, um mir eins zu
verpassen... aber, na ja, geschah mir ganz recht.“

Odette erzählt
     
    Ihre Hände rutschten die Wangen
runter. Einen Augenblick lang betrachtete sie sie, so als wüßte sie nicht, was
sie mit ihnen anfangen sollte. Dann überließ sie sie ihrem Schicksal und ihrem
Gewicht. Sie plumpsten auf ihre Oberschenkel. Dort blieben sie aber nicht lange.
Hastig zogen sie schamhaft am Rocksaum, wodurch aber auch nicht viel verdeckt
wurde.
    Odette hob den Kopf wieder und
sah mich traurig an:
    „Sie glauben mir nicht? Das ist
doch nicht möglich.“
    Ich sagte gar nichts.
    „...Ich war’s nicht.“
    „Aber Sie sind doch
zurückgekommen, oder?“
    „Ja.“
    „Warum?“
    Händeringend jammerte sie:
    „Es macht Ihnen Spaß, mich zu
quälen. Ja, ich weiß. Verbrecher werden immer gequält... Aber ich bin kein
Verbrecher... Herrgott nochmal! Was muß ich tun, damit Sie mir glauben?“
    „Ganz einfach: mir ihre Version
der Ereignisse schildern“, schlug ich vor. „Das kann doch nicht so schwer sein.
Ich versprech Ihnen auch, Sie nicht zu unterbrechen.“
    Sie nahm meinen Vorschlag an.
    Es dauerte länger, als ich
angenommen hatte. Nicht daß es so kompliziert gewesen wäre. Aber ihr Bericht
war schlecht vorbereitet, manchmal unzusammenhängend, unterbrochen von
Schweigen oder Jammern, voll von Wiederholungen und Rück- und Vorblenden. Die
Filmemacher der neuen Schule konnten vor Neid erblassen.
    In groben Zügen erfuhr ich
folgendes: Cabirol und Odette kannten sich schon eine Ewigkeit. Er ging bei den
Larchauts ein und aus, als sie noch gar nicht geboren war. Der inzwischen
verstorbene Larchaut und Cabirol (jetzt ebenfalls verstorben) waren zusammen im
Krieg gewesen. 1914.
    Das Ganze interessierte mich
nicht gerade übermäßig. Aber schließlich kam sie zu dem verhängnisvollen Tag,
als sich unsere beider Schicksale in dem
übelriechenden Treppenhaus gekreuzt hatten.
    „Cabirol war zwar ein Freund
meiner Familie“, erklärte sie mir. „Wenigstens behauptete er es, aber bei ihm
galt: Geschäft ist Geschäft ..
    Ich wußte doch, was das hieß,
oder? Wenn nicht, vertraute sie darauf, daß ich es ahnte. Ein junges Mädchen
von heute braucht immer Geld. Gewisse Ausgaben übersteigen die Möglichkeiten.
Kleider sind teurer, als man den Eltern eingestehen kann. Also muß man sich
woanders den Differenzbetrag holen. Kurz, hin und wieder war die Kleine zu
Cabirol gegangen, geschäftlich...
    „...Schmuck aus der Sammlung
meiner Mutter. Vielleicht gab er mir etwas mehr als üblich; aber er hätte mir
nie einen Sou ohne Pfand gegeben... So war er nun mal... Vor kurzem hatte ich
einen Ring bei ihm versetzt. Und diesen Ring wollte ich an dem Tag wieder
auslösen... Sofort erzählte er mir, in welche Verlegenheit mein Besuch ihn
brachte. Er hatte mich nicht erwartet. Das Pfand konnte er mir nicht geben.
Wertvollen Schmuck, der ihm anvertraut wurde, deponierte er an einem sicheren
Ort, nicht bei sich. Ich merkte gleich, daß er log. Er wollte mir etwas...
etwas
    „...Er wollte Ihnen einen
Vorschlag machen. So wird das im allgemeinen genannt.“
    „Ja, genau.“
    „Und hat er Ihnen diesen
Vorschlag gemacht?“
    „Mit dem nötigen Zynismus, ja.
Er wollte mich erpressen, verstehen Sie?“
    „Ja.“
    „Ich war wie vom Donner
gerührt. Das kam so unerwartet. Bevor ich mich von meiner Überraschung wieder
erholen konnte, hatte er mich schon gepackt und geküßt. Ich wäre fast
ohnmächtig geworden vor Abscheu... Gott sei Dank konnte ich ihn zurückstoßen
und hinauslaufen...“
    Nach einer Pause fügte sie
hinzu:
    „...Aber ich hab ihn nicht
getötet.“
    „Aber Sie sind zurückgekommen?“
    „J...ja, ja.“
    „Warum?“
    Sie senkte den Kopf.
    „Erst bin ich durch den Regen
gegangen. Wußte nicht, wie ich mich entscheiden sollte. Ich war zu Tode
erschrocken über das, was soeben passiert war. Und weil ich mein Pfand nicht
zurückbekommen hatte. Ich ging zurück..., um ihn zu bitten, ihn anzuflehen...
und vielleicht auch...“
    „Um nachzugeben?“
    Sie schüttelte sich:
    „Vielleicht. Ich weiß es
nicht...“
    „Und dann?“
    „Sie lagen da. Neben ihm. Man
hätte Sie beide für tot halten können. Bei ihm war ich mir da ganz sicher.
Dieser Dolch mit dem goldenen Griff... Manchmal ist man richtig bösartig,
Monsieur, nicht wahr?“
    „Der Mensch ist nicht übermäßig
gut, nein. Warum fragen Sie mich das?“
    „Weil ich nichts empfunden
habe, als ich ihn da so liegen sah. Ich meine... im ersten

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