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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Kommissar
Faroux hier?“
    „Nur zwei Inspektoren.“
    Ich fragte sie, was die beiden
wissen wollten. War wohl nur die übliche Routinebefragung gewesen, nicht mehr.
    Ich kam auf Jacquier zurück,
der wieder zu verschwinden drohte. Diesmal aus der Unterhaltung.
    „Na ja...äh...“ stammelte die
verlassene Witwe. „Bitte, Odette, erzähl du Monsieur Burma... Ich hab nicht die
Kraft dazu...“
    Das junge Mädchen erzählte.
    Nicht immer alleine. Ihre
Mutter konnte sich nämlich doch nicht völlig zurückhalten. Hin und wieder
ergänzte sie etwas oder löste ihre Tochter ganz ab.
    Nach vielen Jahren der
Witwenschaft hatte Madame Larchaut wieder geheiratet und war Madame Jacquier
geworden. Sie fragte sich heute noch, warum. Sehr schnell hatte sie ihren
Irrtum eingesehen. Jacquier, jünger als sie, machte schwungvolle Seitensprünge.
Letzten November — also vor sechs Monaten — flatterte er um Miss Pearl herum,
eine Trapezkünstlerin, die im Cirque d’Hiver gastierte. Mit ihr flog er in den
siebten Himmel. Mit Geld. Mit seinem eigenen, um genau zu sein. Madame Jacquier
war tief gekränkt. Mit einer Gauklerin durchbrennen! Das war das Letzte. Ich
mußte mir langatmige Ausführungen über die fehlende Lebensart gewisser Leute
und ihren schlechten Geschmack anhören. Für die bevorstehende Heirat von Odette
hätte dieser Seitensprung beinahe unangenehme Folgen gehabt. Schließlich
steckte die Romanze damals noch in den Anfängen. Nichts war entschieden. Und
ein Vater, da mußte ich doch wohl zustimmen, der mit einer Gauklerin
durchbrennt, der kann alles verderben. Vor allem in den Augen einer konservativen
Familie. Und die Mareuils — so erfuhr ich den Familiennamen des Schöpfers von
ganz reizenden Pinguinmodellen — war äußerst konservativ. Glücklicherweise war
Jean Mareuil sehr verliebt in Odette. Und dazu intelligent genug, um das junge
Mädchen nicht für das skandalöse Verhalten ihres Stiefvaters verantwortlich zu
machen. Schließlich waren sie nicht blutsverwandt. Schön und gut. Schluß des
ersten Akts. Zeit für die Wortführerin, Luft zu holen; und für mich, noch einen
Aperitif zu trinken, um das alles zu verdauen.
    Ungefähr drei Wochen lang hatte
Madame Jacquier ihren Kummer in sich hineingefressen. An diesen Abschnitt ihres
Lebens erinnerte sie sich nur mit Unbehagen. Zu allem Überfluß kamen zu ihrem
familiären Gefühlsärger noch Scherereien mit ihrer Nippesfabrik hinzu. Einer
ihrer besten Gießer wurde krank, zeigte alle Anzeichen von Geistesgestörtheit.
Als wahrhafte patronne der Arbeiter in ihrem Betrieb kümmerte sie sich um den Unglücklichen und seine
arme alte Mama. Eine wahrhafte patronne, auch für alte Mamas. Diese alte Mama nun half seitdem hier im Haushalt. Wir
hatten sie eben im Flur gesehen, wenn ich mich richtig erinnerte. Ja,
vielleicht. Das furchtbare Drama damals hatte meine Gastgeberin voll und ganz
beansprucht. Das leuchtete mir ein, so als wäre ich dabeigewesen. Was mir aber
bei dem ganzen Durcheinander nicht einleuchtete, war die Idee, einen
Privatdetektiv einzuschalten. Um es kurz zu machen, die sitzengelassene Ehefrau
hatte sich schließlich dazu durchgerungen, die Polizei von dem Abenteuer ihres
Herrn und Meisters zu unterrichten. Sie lieferte auch das Motiv der Flucht,
konnte aber nur den Namen der Komplizin angeben, nicht die Adresse. Die
Akrobatin war nämlich nicht mehr beim Cirque d’Hiver. Engagements in der
Provinz und im Ausland warteten auf sie. Vielleicht war sie auch mit einem
Wanderzirkus unterwegs. Die Ermittlungen der Polizei hatten natürlich nichts
ergeben. Kein Wunder. In der Abteilung für Familienzusammenführung wurden noch
nie Wunder vollbracht. Außerdem wird dort täglich zigmal das Verschwinden von
irgendwelchen Personen gemeldet. Die Hälfte der Fälle löst sich in Luft auf,
und ein gutes Viertel ist viel schwerwiegender als der Fall eines flatterhaften
Ehemanns, der mit einer Königin der Luft davonfliegt.
    „Und da haben Sie an einen
Privatdetektiv gedacht“, mischte ich mich ein, um Mutter und Tochter daran zu
erinnern, daß es irgendwann einmal solch eine Anwandlung gegeben hatte. Das
schienen sie nämlich ganz vergessen zu haben.
    „Nein.“
    Nein? Auch gut. Also ließ ich
den Wasserfall weiterrauschen.
    Nach einigen Tagen, Wochen,
Monaten hatte Madame Jacquier den ungetreuen Ehemann beinahe vergessen — was
mich nicht überraschte — , bis daß... eine weitere
Person die Bühne betrat: Maître Hippolyte Dianoux, Boulevard

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