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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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behauptet, er könnte
genausogut ‘ne Giraffe kämmen. Badoux war den ganzen Nachmittag im
Staatsarchiv. Und ist dann ganz ruhig nach Hause gegangen.“
    „Unsre treulose Tomate kann
noch von Glück sagen, daß er überhaupt Feierabend hat! Gut. Werd mich selbst
darum kümmern müssen. Sonst noch was?“
    „Nein.“
    „Na schön. Gute Nacht, meine
Liebe.“
    „Nicht soviel Liebe“, kicherte
sie.
    „Und etwas mehr Glück im
Spiel“, stimmte ich ihr lachend zu.
    „Genau.“
    Ich legte auf.
    Im Pyjama, die Pfeife im Mund,
zog ich Bilanz.
    Fünfzig Mille und fünfzig
Riesen machen zusammen... hunderttausend Lappen. Die ersten Fünfzigtausend
stammten von dem noch warmen Körper Cabirols. Die zweiten standen auf dem
Scheck von Madame Ernestine Jacquier.
    Fünfzigtausend Francs! War ganz
schön viel, nur um eine Botschaft zu überbringen. Da war noch was anderes. Und
zwar glaubte Madame Jacquier immer noch, daß ich mit ihrer Tochter schlief und
nur in die Rue de Thorigny gekommen war, um über einen Abbruch der Beziehung zu
verhandeln. Sie wollte mich kaufen. Nicht teuer, aber...na ja, für den Anfang
ganz nett.
    Großartig! Ich hatte das Geld
bitter nötig. Also konnte ich nicht empfindlich sein und empört reagieren.
Glaubte sie etwa, ich sei zu kaufen? Stimmt. Ich war zu kaufen. Nestor macht
nie Schwierigkeiten. Nur her mit dem Geld! Ich kann mir auch Nylonwäsche
kaufen, Hemden, Unterhosen... Wenn ich dem Preisschild glauben konnte, war
solch ein Firlefanz nicht gerade spottbillig: 5415 Francs! Nicht möglich! Ach
ja, der Preis lag weiter unten. Auf dem Schild und im Betrag. Genau zweitausend
Francs. War auch schon teuer genug. 5-4 war das Datum: 5. April. Und 15 war die
Nummer der Verkäuferin. Wie ein Punkt beim Tennis.
    Einen Augenblick noch knüllte
ich den Slip in meiner Hand. Dann stopfte ich ihn wieder zurück in die Tüte,
die Tüte in eine Schublade und mich ins Bett. Ich war müde und schlechtgelaunt.

Isabella von
Bayern
     
    Mein erster Gedanke am nächsten
Morgen galt Maurice Badoux. Jetzt war ich für ihn zuständig. Ich machte mich
also auf ins Marais. Die Vorsehung hatte genau gegenüber der Wohnung des
merkwürdigen Studenten ein Bistro hingesetzt. Ich ging hinein und wartete. Bis
zum Mittag tat sich nichts. Dann kam Badoux. Er ging zum Essen in ein
bescheidenes Restaurant in die Rue de Bretagne. Behutsam respektvoll trug er
eine Ledertasche. Er schien in Gedanken vertieft, ganz Absolvent der Ecole polytechnique , aber keineswegs beunruhigt. Als er die
Eßkneipe verließ, hatte er mich immer noch am Hals. In der Rue des Archives
wurde ich rot. Unwillkürlich sah ich mich um. Stand Zavatter irgendwo und
lachte sich über mich tot? Vielleicht hatte er ja recht, daß er an meinem guten
Riecher zweifelte. Sah ganz so aus, als wäre ich hier auf dem Holzweg. Wie
vorauszusehen war, ging Badoux ins Staatsarchiv. Offensichtlich war er dort Stammkunde.
Von der Straße aus sah ich ihm nach. Er überquerte den riesigen Hof und
verschwand dann in dem hinteren Trakt, der Studienzwecken diente.
    Fluchend, die Pfeife schräg im
Mund, verdrückte ich mich. Ich hatte die Nase voll.
    Eine Stunde brauchte ich, um
meine Gelassenheit wiederzugewinnen. Dann rief ich aus einer Telefonzelle
Hélène an: „Was hat Zavatter genau gesagt über den Mann, den er beschattet hat?
Daß der den ganzen Tag im Staatsarchiv war?“
    „Den Nachmittag.“
    „Den ganzen?“
    »Ja.“
    „Danke.“
    War nur zu hoffen, daß er das
heute genauso machte.
     
    * * *
     
    Das Schloß von Badoux’ Tür
verdiente kaum diese Bezeichnung. Genauso schlicht wie ein Durchschnittsbürger,
genau so leicht zu durchschauen. Es gab schon fast nach, als ich mit meinem
Pfeifenreiniger-Dosenöffner winkte. Etwas mehr Widerstand wäre mir eigentlich
lieber gewesen. Offenbar fürchtete Badoux weder Einbrecher noch Neugierige.
Solche unverdorbenen Seelen sind normalerweise nicht meine Welt.
    Das Zimmer sah immer noch so
aus wie bei meinem ersten Besuch. Sauber, spartanisch, derselbe abgetretene
Teppich, Kleidung über der Stuhllehne.
    Durch das offene Fenster kam
der Frühlingstag ins Zimmer. Der erste Tag, der diesen Namen seit
Frühlingsanfang verdiente. Ein leichter, sanfter Wind trug Straßenlärm herauf.
    Ich machte mich an die Arbeit.
    Ohne genau zu wissen, was ich
suchte, wühlte ich in den Kleidern und fand einen Brief aus Nantes vom 5.
Januar. „Mein lieber Neffe.. : “ Die Tante sorgte sich um die Zukunft des
jungen Mannes. Sie tadelte

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