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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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klargeworden...“
    Gedankenlos? Sicher. Aber das
hinderte sie nicht daran, als Mutter zu denken. Man konnte schlecht mitansehen,
wie diese Frau, geschminkt wie für ein Festbankett, wegen der Zukunft ihrer
Tochter Gespenster sah. Mit rührender Offenheit legte sie mir ihr Herz dar. Ich
stürzte mich auf ein Argument, das mir unwiderlegbar schien:
    „Gerade das hätte Ihren
Verdacht doch zerstreuen müssen. Wenn zwischen Ihrer Tochter und mir etwas
wäre, hätte ich sie doch bestimmt nicht begleitet!“
    Der Gedanke verfehlte seine
Wirkung nicht. Trotzdem hielt sie mir entgegen:
    „Sie haben eine Straße weiter
anhalten lassen.“
    „Wegen einer
Verkehrsstockung...“
    So langsam hatte ich keine Lust
mehr, mich zu verteidigen. Ich bin kein Rechtsanwalt.
    „Glauben Sie mir, Madame“,
sagte ich höflich, aber bestimmt. „Mademoiselle Larchaut ist nicht meine
Geliebte. Ich hab sie vor ein paar Jahren in Saint-Germain-des-Prés, glaube
ich, kennengelernt. Und sogar damals war zwischen uns nichts... (wie wahr!)...
Heute hab ich sie rein zufällig ganz in der Nähe meines Büros getroffen.“
    „Ihres Büros?“
    „Ja, ich habe ein Büro, im
Zentrum. Wir haben über dieses und jenes geplaudert, und nach dieser zwanglosen
Unterhaltung haben wir ein Taxi genommen... Ich wollte nämlich zu Ihnen,
Madame.“
    Sie sah mich groß an:
    „Zu mir?“
    Ich lächelte:
    „Stellen Sie sich vor: Ich
wollte Sie auch was fragen. Ohne Sie zu kennen. Aber Odette hat mir erzählt,
daß Sie jemand kennen, der einen andern kennt, den ich wiederum besser
kennenlernen möchte.“
    Einen Augenblick lang war sie
sprachlos. Dann:
    „Das scheint mir alles etwas
kompliziert zu sein.“
    „Das ist ganz einfach. Ich
werd’s Ihnen in Ihrer Wohnung erklären, wenn Sie gestatten.“
    „Gut, gehen wir hinauf“, sagte
sie. Sie merkte wohl auch, daß wir diese Unterhaltung im Treppenhaus nicht ewig
fortführen konnten. „Entschuldigen Sie, ich... ich glaub Ihnen, Monsieur.
Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie fälschlicherweise verdächtigt habe.“
    „Das war sehr schmeichelhaft
für mich.“
    Wir setzten unseren Weg nach
oben fort.
     
    * * *
     
    Odette wartete in einem
riesigen, sehr hohen Salon auf uns. In der unteren Etage befand sich eine
Handelsfirma, die sicherlich nicht mit weniger Platz auskommen mußte. Dem
Mobiliar in Madame Jacquiers Salon fehlte die nötige Eleganz, um zu den
antiken, noch unbeschädigten Holzreliefs zu passen. Sie fielen mir vor allem in
den Vertäfelungen über den Türen auf. Auch die Deckengemälde machten einen
vornehmen Eindruck, mußten aber dringend restauriert werden. Sie wiesen
gefährliche Risse auf, und ich fürchtete die ganze Zeit, daß mir ein sowohl
schöner als auch mythologischer Schenkel einer schwebenden Göttin in meinen Aperitif
fiel, als zusätzliches Stück Pfirsich.
    Um über Ungeduld und Nervosität
hinwegzutäuschen, hatte das Mädchen eine Schachtel Zigaretten gequalmt, oder
fast. Der Aschenbecher — ein Artikel aus dem Familienbetrieb — quoll von Kippen
mit rotem Rand über. Wahrscheinlich hatte sie trotz allem in tausend Ängsten
geschwebt, daß ich ihrer Mutter reinen Wein einschenken würde.
    Unwillkürlich zählte ich die
Gläser, die auf einem Kristalltablett zusammen mit Oliven und Zigaretten die
versprochene Flasche einrahmten. Es waren drei. Monsieur Jacquier schien an
unserem Gelage nicht teilzunehmen. War mir auch lieber. Mit dem hätte ich gar
nichts anfangen können. Meine Gastgeberin mußte die verschlungenen Pfade meiner
Gedanken erraten haben:
    „Mein Mann befindet sich zur
Zeit außer Haus“, sagte sie etwas säuerlich. „Setzen Sie sich doch, bitte.“
    Ich setzte mich bequem in einen
Sessel. Odette goß ein. „Nun“, sagte ich, als jeder sich an einem Glas
festhielt und schweigend auf irgendetwas zu warten schien, „der Grund, warum
ich zu Ihnen wollte, Madame, ist dieser Mann... Samuel Cabirol.“
    Madame Jacquier stellte ihr
Glas hart aufs Tablett zurück. „Von diesem widerlichen Kerl will ich nichts
mehr hören“, rief sie.
    „Ich will auch eigentlich gar
nicht über ihn reden“, korrigierte ich mich, „sondern über den jungen Mann,
der...äh...der ihn gefunden hat. Wie ich schon sagte, hab ich zufällig von
Ihrer Tochter erfahren, daß Sie Cabirol kannten und...“ Sie unterbrach mich:
    „Du solltest dir besser
überlegen, worüber du redest. Was wollen Sie über den jungen Mann wissen?
Offensichtlich ist heute der Tag dafür.“
    Der eine

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