Marais-Fieber
große Idioten. Man muß
schon ziemlich blöd sein, wenn man meint, daß dieser Schatz immer noch da liegt
— falls es ihn jemals gegeben hat — und auf einen Jungen wartet, den das
eifrige Studieren durcheinandergebracht hat. Jedenfalls war er tot, bevor er
den ersten Spatenstich machen konnte.“ Ich fragte beiläufig:
„Wer hat ihn umgebracht?“
Faroux warf mir einen seiner
berühmten Spezialblicke zu: „Niemand. Er hatte einen sitzen, und der Ort ist
gefährlich. Hat sich leider den Hals gebrochen. Kann Vorkommen.“
„Täglich. Steht auch in den
Zeitungen. Unfall. Aber was kümmert Sie dann, ob ich mich für Badoux
interessiert hab oder nicht?“
„Lassen Sie sich deswegen keine
grauen Haare wachsen. Sparen Sie sich die Mühe. Und versuchen Sie nicht, dem
Papa irgendeinen Mist vorzuschlagen. Er hat Sie nicht gerade ins Herz
geschlossen. Versuchen Sie lieber, Ruhe zu geben.“
„Werd’s versuchen.“
* * *
„Ich werde es nicht nur
versuchen“, sagte ich zu Hélène. Sie hatte ein wenig besorgt in der Agentur auf
mich gewartet. Ich erzählte ihr alles.
„Ich werde mich völlig raushalten.“
Die Kleine lachte laut los:
„Leere Versprechungen!“
„Nein, nein. Diesmal nicht.“
Faroux würde mich nicht aus den
Augen lassen. Das spürte ich. Und in diesem besonderen Fall hatte ich meinen
ganz persönlichen Grund, Ärger aus dem Weg zu gehen.
„Also wirklich, das sieht
tatsächlich ernst aus“, sagte Hélène und sah mich besorgt an. „Sie machen einen
deprimierten Eindruck. Kommt das von dem Gespräch mit dem Kommissar? Ist doch
schließlich nicht das erste Mal, daß Sie sich gegenseitig ärgern.“
„Glauben Sie, es macht Spaß,
ständig geärgert zu werden? Genauer gesagt, immer wenn sich irgendeiner
umbringen läßt? Hab so langsam die Schnauze voll davon.“
„Also doch kein Unfall?“
„Auch kein richtiger Mord.
Liegt so dazwischen. Nennt man im allgemeinen ... äh...
den Tod arrangieren, ohne ihn direkt zu verursachen... Oder so ähnlich.“
„Und wissen Sie, wer’s war?“
„Ich ahne es.“
„Wer?“
„Dieser entsprungene
Häftling...Latuit...Cabirols Mörder. Sonst würden die Flics sich nicht so in
Schweigen hüllen über das Notlager in dem Turm. Latuit hütet sich vor Hotels
und vor Freunden. Sehr verständlich. Nach seinem ersten blutigen Ausflug hat er
sich zu Isabeau von Bayern geflüchtet. Der Pechvogel Badoux überrascht ihn in
seiner Behausung. Es kommt zur Prügelei...“
Hélène zog die Nase kraus.
„Er hätte aber doch das
Quartier einfach wechseln können.“
„Sie sind schlauer, als die
Polizei erlaubt. Ja, hätte er können. Hat er aber nicht. Wird schon wissen,
warum. Jetzt ist er jedenfalls aus seinem Bau vertrieben. Bis er den Flics in
die Arme läuft, wird’s nicht mehr lange dauern.“
Hélène lachte:
„Mein Gott! Wie Sie das sagen!
Man könnte meinen, diese Aussicht macht Sie traurig.“
„Mich? Nein. Obwohl...man müßte
mir schon viel Geld geben, um mich zu der Aussage zu bewegen, Cabirols Tod
bedeute einen großen Verlust... Offensichtlich hat Latuit aber auch Badoux
getötet. Und der war nun ein armer netter Kerl. Ein kleiner Dokumentenklau
vielleicht, aus Wissensdurst, aber nicht so’n Schwein wie Cabirol...“
Das Klingeln des Telefons unterbrach
meine brillante Leichendoppelrede.
„Hallo“, meldete ich mich.
Nichts. Stille. Nicht mal das
leiseste Knacken.
„Hallo!“ versuchte ich’s
wieder.
Am anderen Ende wurde
aufgelegt, sachte, vorsichtig. Ich legte ebenfalls auf. Weniger sachte, weniger
vorsichtig. Ich zwinkerte Hélène zu:
„Noch was Geheimnisvolles... Es
sei denn, das war Faroux, der sich davon überzeugen wollte, daß ich mich nicht
von meinem Sessel fortbewege. Unglaublich, diese Flics. Man kann nicht mal in
Ruhe arbeiten... A propos...“
Ich wählte die Nummer meines
Freundes Seldow, des zauberhaften Zauberkünstlers.
„Hallo?“ klang es aus der Rue
Bonaparte.
„Guten Tag, Anita. Hier Burma.
Wie geht’s?“
Damit kein Mißverständnis
entsteht: Anita ist die Frau meines Freundes, nicht sein Kosename.
„Guten Tag, Nestor. Geht so.
Willst du mit Michel sprechen?“
„Ja.“
„Salut, altes Wildschwein“,
meldete sich Seldow. „Gibt’s was Neues?“
„Nichts weiter. Hab gesehen,
daß du demnächst im Cirque d’Hiver auftrittst.“
„Ja.”
„Miss Pearl and partner. Kennst du
die?“
„Gut sogar. Wir sind manchmal
zusammen. Auf dem Plakat. Ein hübsches Mädchen. Soll ich
Weitere Kostenlose Bücher