Marathon
wieder zu
beruhigen und ihr Angebot anzunehmen, es weiter zu versuchen. Nein,
diesmal blieb er ganz ruhig. Kein Wort zu viel und erst recht
keins, das so oft schon benutzt worden war. Er sagte erst einmal
gar nichts, lehnte sich zurück und freute sich auf die
Wachteln.
Der letzte große
Krach war schon ein Jahr her. Damals hatte er herausgefunden, dass
sie ihn betrogen hatte. Mit einem miesen Arschloch ins Bett
gegangen war. Er hatte sich fürchterlich aufgeregt, geschrien
und versucht zu weinen. Ein paar Tage später war ihm das alles
schon wieder egal gewesen. Da ärgerte er sich mehr über
sich selbst als über seine Frau. Darüber, dass er nicht
über diesen profanen Dingen des Lebens stehen konnte, dass er
sich von der Vorstellung hatte quälen lassen, wie, wann und wo
es die beiden miteinander getrieben hatten. Mit Licht oder ohne,
von hinten, von vorne, nackt oder nur mit heruntergelassener
Hose.
»Sag es mir, sag
es mir!«, hatte er sie angebrüllt. »Ich muss das
alles wissen.« Was für ein Unsinn. Warum muss der Mensch
so etwas wissen? Als er das hinter sich gelassen hatte, begann er
sich einzureden, das Vorgefallene als Herausforderung zu sehen, die
niederen Instinkte zu überwinden. Nun, ein Jahr danach, wusste
er, dass er es geschafft hatte.
»Diesmal ist es
Ernst«, sagte er, nachdem er sie schweigend drei, vier
quälende Minuten lang verunsichert hatte. »Es gibt
keinen Grund. Es ist einfach vorbei. Schluss, aus und
vorbei.«
Sie machte nicht den
Eindruck, dass sie ihm das abnahm. Er bestellte ein zweites Bier
und leerte sein
Glas.
»Ich darf nicht
zu viel trinken, heute Abend. Ich will meine gute körperliche
Verfassung vor dem Lauf nicht gefährden.«
»Ist mir egal,
wann und wohin du läufst. Ich möchte wissen, warum du
hier an diesem wunderbaren Ort mit mir Schluss machen
willst.«
»Du kennst alle
Gründe. Es ist kein neuer dazugekommen.«
»So. Und warum
dann plötzlich dieser Sinneswandel, wenn es keinen neuen Grund
gibt, der dazugekommen ist?«, zischte sie. Er hatte sie
tatsächlich ein wenig verunsichern können.
»Menschen
ändern sich. Ich habe mich geändert. Ich werde
gehen.«
»Ach, du wirst
gehen?«
»Ja.«
»Und wohin
willst du gehen?«
»Weit
weg.«
Sie blies die Backen
aus und pustete laut Luft durch ihre Lippen. Die Nachbarin mit Ente
in Blätterteig im Bauch schaute missbilligend zu ihrem Tisch
herüber.
»Du brauchst
nicht laut zu werden«, sagte er leise. »Das ist
normalerweise mein Part, oder?«
Sie stöhnte. Die
Kellnerin brachte die Vorspeisen. Saftige, knackige Garnelen
versammelten sich für seine Frau auf grünem Salat,
für ihn hatten sich fünf Wachteln herrlich kross braten
und auf Feldsalat legen lassen. Ihm lief das Wasser im Mund
zusammen. Den Appetit hatte er ihr nicht verderben können. Sie
griff genau wie
er zu Messer und Gabel, um sich vorsichtig diesem Gaumenschmaus zu
nähern. Hier wurde das Essen nicht in großen
Stücken heruntergeschlungen. Hier wurden Wachteln in ein
Dutzend Mini-Stückchen zerteilt, um zu erleben, wie sich
erlesene Speisen, die ein Meisterkoch liebevoll und zärtlich
behandelt hatte, um ihren Eigengeschmack zu unterstreichen, im Mund
in ein kleines Feuerwerk verwandelten, das man voller Lust und
tiefer Freude genoss. Sie tat es ihm gleich.
»Siehst du, so
schlimm ist das gar nicht. Wir trennen uns, und du wirst auch ohne
mich weitermachen, vielleicht sogar noch besser als mit
mir.«
»Was soll ich
weitermachen?«, fragte sie mit vollem Mund. »Du redest
wenig heute Abend, aber dafür ganz schön viel
Unsinn.«
»Findest du? Ich
finde, ich habe noch nie so wenig Unsinn geredet wie heute
Abend.«
Jetzt hatte der Mann,
der den Sommelier spielte, seinen großen Auftritt. Er kam an
den Tisch und begann unverständlich über Aceto,
Casalinga, Feuer und Zucker zu philosophieren. Dabei bot er einen
großen Esslöffel mit einer brauen Soße
feil.
»Schuldigung
für mein Deutsch«, sagte er. »Spezialität,
dieses hier, selbst gemacht, casalinga eben. Aceto
caramel.«
Mein Gott, dachte
Gassmann. Warum kann man beim Italiener nicht einfach essen? Der
Mann, der den Sommelier spielte, hatte Balsamico-Essig
karamellisiert. Nachdem sie verstanden hatten, was er da anpries,
erlaubten sie ihm, die süße Soße über ihren
Salat zu streichen. Zunächst nur ein wenig, um dann eine neue
kulinarische Überraschung an diesem Ort der Lebensfreude zu
erleben. Es schmeckte köstlich.
»Was meinst du
mit
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