Marc Levy
eine Theorie, die ich versucht habe, in die Praxis umzusetzen. Ich bin überzeugt, dass Leidenschaft sich entwickelt.«
Für Arthur gab es nichts Vollkommeneres als zwei Menschen, die gemeinsam durch die Zeit gehen, die akzeptieren, dass Zärtlichkeit an die Stelle der Leidenschaft tritt, aber wie sollte man das leben, wenn man sich zugleich nach dem Absoluten sehnte? Dennoch konnte er nichts Verkehrtes daran finden, sich ein Stückchen Kindheit zu bewahren, das Träumen nicht aufzugeben.
»Irgendwann verändern wir uns, aber alle waren wir am Anfang Kinder. Und du, hast du schon mal geliebt?« fragte er.
»Kennst du viele Leute, die noch nicht geliebt
haben? Du möchtest wissen, ob ich verliebt bin? Nein, ja und nein.«
»Bist du schon oft verletzt worden in deinem Leben?«
»Gemessen an meinem Alter, ja, nicht zu knapp.« »Du bist nicht sehr gesprächig, wer war es?« »Er ist noch nicht tot: Achtunddreißig Jahre alt, Filmemacher, sieht ziemlich gut aus, hat kaum Zeit, ist ein bisschen egoistisch, der ideale Typ ...«
»Aber?«
»Aber Lichtjahre von dem entfernt, was du Liebe nennst.«
»Jeder nach seinem Geschmack, weißt du! Die Hauptsache ist, dass man seine Wurzeln im richtigen Boden schlägt.«
»Sprichst du immer in solchen Bildern?« »Oft, auf diese 80
Weise fällt es mir leichter, die Dinge auszusprechen. Also, deine Geschichte?«
Sie hatte vier Jahre ihres Lebens mit dem Filmemacher verbracht, vier Jahre einer Geschichte voller Brüche und Neuanfänge, deren Akteure sich ein ums andere Mal verletzten und wieder versöhnten, als verliehe das Dramatische dem Dasein eine weitere Dimension. Sie bezeichnete die Beziehung als rein egoistisch, ohne gegenseitige Anteilnahme, aufrechterhalten allein durch die körperliche Anziehung.
»Bist du sehr sinnlich?« fragte er.
Sie fand die Frage schamlos.
»Du musst nicht antworten.«
»Das werde ich auch ganz sicher nicht tun! Na ja, zwei Monate vor dem Unfall hat er Schluss gemacht.
Um so besser für ihn, wenigstens hat er hiermit jetzt nichts zu tun.«
»Trauerst du ihm nach?«
»Nein, als wir uns trennten, war ich traurig. Inzwischen aber denke ich, dass Großzügigkeit eine der Eigenschaften ist, die für ein glückliches Zusammenleben unerlässlich sind.«
Sie hatte genug von Geschichten, die immer wieder aus denselben Gründen in die Brüche gingen. Wenn manche Menschen mit der Zeit ihre Ideale verloren, so war es bei Lauren genau umgekehrt. Je älter sie wurde, desto idealistischer wurde sie.
»Ich denke mir, wenn man ein Stück seines Lebens mit jemandem gemeinsam gehen möchte, dann muß man aufhören, sich und anderen vorzumachen, dass eine Geschichte, in der man nicht wirklich bereit ist, auch zu geben, irgendetwas bedeuten kann. Mit den Fingerspitzen allein rührt man nicht an das Glück. Entweder man ist ein Geber oder ein Nehmer. Ich gebe erst, bevor ich nehme, aber ich habe endgültig abgeschlossen mit den Egoisten, den Komplizierten und denen, die mit ihren Gefühlen zu sparsam umgehen, um ihre 81
Hoffnungen und Wünsche je erreichen zu können.« Sie habe schließlich begriffen, dass man sich an einem bestimmten Punkt seine eigenen Wahrheiten eingestehen und sich darüber klar werden müsse, was man vom Leben erwarte. Arthur fand diese Ansicht ziemlich extrem. »Ich wurde zu lange vom genauen Gegenteil meiner Träume angezogen, vom Gegensatz dessen, was gut für mich gewesen wäre, das ist alles«, gab sie zurück.
Sie hatte Lust, frische Luft zu schnappen, und so verließen sie beide das Haus. Arthur fuhr sie zum Ocean Drive.
»Ich bin so gerne am Wasser«, sagte er nach einem langen Schweigen.
Lauren erwiderte nichts, sie betrachtete den Horizont. Dann nahm sie Arthurs Arm.
»Was ist dir widerfahren in deinem Leben?« fragte sie schließlich.
»Wieso fragst du das?«
»Weil du anders bist als die anderen.«
»Sind es meine beiden Nasen, die dich stören?«
»Nichts stört mich, du bist anders.«
»Anders als wer, als was?«
»Du bist so gelassen!
»Ist das ein Fehler?«
»Nein, überhaupt nicht, aber es ist verwirrend. Nichts scheint dir Probleme zu bereiten.«
»Weil ich es liebe, Lösungen zu suchen.«
»Nein, es ist noch etwas anderes.«
»Da ist er wieder, mein PTA.«
»Dein was?«
»Mein Persönlicher Taschen-Analytiker.«
»Du bist nicht verpflichtet, mir zu antworten, das soll ja kein Verhör sein. Aber ich habe doch das Recht, bestimmte Dinge wahrzunehmen.«
»Wir klingen wie ein altes Ehepaar. Ich
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