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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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sich heftig, sie schüttelte den Kopf zum Zeichen ihrer totalen Ablehnung. Sie könne und sie wolle das nicht tun. Doch von Minute zu Minute höhlte die routinierte 87
    Argumentation der Psychologin ihre Gefühle weiter aus. Mit subtiler Rhetorik bewies sie, dass eine Verweigerung ungerecht sei, grausam gegen sie und die Ihren, egoistisch, ungesund.
    Mrs. Kline begann zu zweifeln. Sanft, aber unerbittlich setzte die Ärztin noch überzeugendere Argumente, noch
    vorwurfsvollere Worte ein. Durch den Platz, den ihre Tochter auf der Intensivstation belegte, nahm sie einem anderen Patienten die Chance zu überleben, einer anderen Familie die Hoffnung. Ein Vorwurf löste den anderen ab... und der Zweifel setzte sich fest. Lauren wohnte dem Schauspiel bei und sah entsetzt mit an, wie die Entschlossenheit ihrer Mutter ins Wanken geriet. Nach vier Stunden war Mrs. Klines Widerstand gebrochen, unter Tränen gab sie den Ärzten recht. Die einzige Bedingung, die sie stellte, ihre einzige Bitte war, dass man noch vier Tage wartete, »um ganz sicher zu sein«. Es war Donnerstag, vor Montag sollte nichts unternommen werden.
    Sie müsse sich und ihre Angehörigen darauf vorbereiten. Die Ärzte nickten mitfühlend und versteckten hinter verständnisvollen Mienen ihre tiefe Befriedigung darüber, dieser Mutter die Lösung eines Problems abgerungen zu haben, dem sie mit all ihrem Wissen nicht beizukommen vermochten: was tun mit einem Menschen, der weder tot noch lebendig ist?
    Hippokrates hatte nicht vorhergesehen, dass die Medizin einmal diese Art von Drama hervorbringen würde. Die Ärzte verließen den Raum und ließen Mrs. Kline allein mit ihrer Tochter. Sie nahm ihre Hand, ließ den Kopf auf ihren Bauch sinken und bat sie unter Tränen um Verzeihung. »Ich kann nicht mehr, mein Schatz, mein kleines Mädchen. Ich wünschte, ich könnte mit dir tauschen.« Lauren betrachtete die Szene voller Angst, mit Trauer und Entsetzen. Sie trat zu ihrer Mutter und legte ihr die Hände auf die Schultern, ohne dass sie es hätte spüren können.
    Nun wandelte sie wirklich umher wie eine verlorene Seele.
    Sie kehrte auf ihr Fensterbrett zurück, entschlossen, das Licht 88
    in all seinen Nuancen, den Blick über die Stadt, die ganze Vielfalt ihrer Gerüche und Geräusche ein letztes Mal in sich aufzunehmen. Arthur nahm sie in die Arme und umfing sie mit all seiner Zärtlichkeit.
    »Selbst wenn du weinst, siehst du noch schön aus. Komm, wisch deine Tränen ab, ich werde sie daran hindern.«
    »Und wie?« fragte sie.
    »Gib mir ein paar Stunden, um darüber nachzudenken.«
    Sie löste sich von ihm und trat wieder ans Fenster.
    »Wozu!« sagte sie, den Blick starr auf die Straßenlaterne geheftet. »Vielleicht ist es besser so, vielleicht haben sie tatsächlich recht.«
    »Was soll das heißen: >Es ist besser so    und nichts ist weniger gewiss als das.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass deine Mutter erleichtert sein wird, wenn du für immer stirbst.«
    »Du bist wirklich reizend«, unterbrach sie ihn.
    »Was habe ich gesagt?«
    »Nichts, nur dein >wenn du für immer stirbst< finde ich süß, vor allem in dieser Situation.«
    »Glaubst du, sie wird je die Leere ausfüllen können, die du hinterlassen würdest? Denkst du, es ist das Beste für sie, wenn du aufgibst? Und was ist mit mir?«
    Sie sah ihn fragend an.
    »Wie, was ist mit dir?«
    »Ich werde da sein, wenn du aufwachst, für die anderen magst du unsichtbar sein, aber nicht für mich.«
    »Ist das eine Liebeserklärung?«
    Sie hatte einen spöttischen Ton angenommen.
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    »Sei nicht eingebildet«, gab er trocken zurück.
    »Warum tust du das alles?« fragte sie fast wütend.
    »Wieso bist du so provokant und aggressiv?«
    »Wieso bist du hier, machst so einen Wirbel um mich und reibst dich für mich auf?« Sie schrie fast. »Was versprichst du dir davon?«
    »Jetzt wirst du gemein!«
    »Dann antworte mir, antworte mir ehrlich!«
    »Setz dich zu mir und beruhige dich. Ich werde dir eine Geschichte erzählen, eine wahre, und du wirst verstehen. Es gab einmal ein Essen bei uns, in der Nähe von Carmel. Ich war vielleicht sieben Jahre alt...«
    Doktor Miller war ein

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