Marco Polo der Besessene 2
Kohlebecken, fischte es, nachdem es verkohlt war, heraus und betrachtete es sehr eingehend, um die Risse, die die Hitze hervorgerufen hatte, zu deuten. Schließlich erklärte er mich als innerlich unverletzt, was ich ihm auch ohne solche Umstände hätte sagen können, und ließ mich das Krankenzelt verlassen. Der nächste, den man hineintrug, war der Wang Ukuruji; dieser sollte wieder zusammengenäht und für seine Bestattung am nächsten Tag hergerichtet werden.
Draußen vorm Zelt wurde das Nachtdunkel von den vielen gewaltigen Lagerfeuern, die man entzündet hatte, beträchtlich zurückgedrängt, und um diese Lagerfeuer herum führten die Truppen jetzt ihre mit viel Gestampf, Gespringe und Geklatsche verbundenen Siegestänze auf und riefen »Ha!« und »Hui!« und schütteten beim Tanzen allen Zuschauern aus den Bechern, die sie in Händen hielten, arkhi und kumis ins Gesicht. Alle wurden sehr schnell betrunken.
Ich fand Bayan und eine Reihe der gerade angekommenen sardars noch in ziemlich nüchternem Zustand vor; sie warteten, um mir ein Geschenk zu überreichen. Beim Marsch von Ba-Tang aus gen Süden, so erzählten sie, hätten Pfadfinder, die vorausgeritten waren, jedes Dorf und jeden Weiler und jedes verlassene Haus durchsucht, um irgendwelche verdächtig aussehenden Personen aufzugreifen, die Yi-Krieger sein konnten, welche sich als Zivilisten ausgaben, um als Spione und Agenten hinter die mongolischen Linien zu gelangen und dort willkürlich Zerstörungen anzurichten. In einer heruntergekommenen, in einer Seitengasse gelegenen karwansarai waren sie auf einen Mann gestoßen, der sich nicht genügend ausweisen konnte. Diesen präsentierten sie jetzt und taten dabei so, als verliehen sie mir einen gewaltigen Preis, wiewohl er nicht im geringsten danach aussah. Für mich sah er aus wie jeder andere dreckige, übelriechende Bho -trapa mit rasiertem Schädel und dem Gesicht, das die braunen Flecken des medizinischen Pflanzensafts aufwies.
»Nein, ein Bho ist er nicht«, sagte einer von den sardars. »Ihm wurde eine Frage vorgelegt, die den Namen der Stadt Yun-nanfu enthielt und die so gestellt worden war, daß er diesen Namen in der Antwort wiederholen mußte. Und er sagte fu, nicht Yunnan-pu. Außerdem behauptet er, sein eigener Name laute Gombo; nur fanden wir in seinem Lendentuch dieses yin hier.«
Der sardar reichte mir das Steinsiegel, das ich mir genauestens ansah, doch ob Gom-bo oder Marco Polo darauf eingeschnitten war, konnte ich nicht sagen. Deshalb fragte ich, was darauf stehe.
»Pao«, antwortete der sardar. »Pao Nei-ho.«
»Ah, der Minister für Kleinere Volksgruppen.« Jetzt, wo ich es wußte, konnte ich ihn trotz seiner Verkleidung erkennen. »Ich erinnere mich, Minister Pao, daß Ihr schon einmal Mühe hattet, klar und deutlich zu sprechen.«
Er zuckte nur mit den Achseln und sagte überhaupt keinen Ton.
Ich sagte zu dem sardar. »Khan Kubilai hat angeordnet, falls dieser Mann ergriffen würde, solle ich ihn töten. Würdet Ihr dafür sorgen, daß irgend jemand das für mich erledigt? Ich habe für einen Tag schon genug getötet. Ich werde dies yin behalten, um es dem Khakhan zum Beweis dafür herzuzeigen, daß sein Befehl befolgt wurde.« Der sardar grüßte und schickte sich an, den Gefangenen abzuführen. »Einen Augenblick«, sagte ich und wandte mich noch einmal an Pao. »Da wir von Sprechen sprechen. Habt Ihr jemals Gelegenheit gehabt, die Worte zu flüstern: ›Erwartet mich, wenn Ihr mich am wenigsten erwartet‹?«
Er leugnete dies, was er wohl in jedem Fall getan hätte, doch sein Gesichtsausdruck verriet ehrliche Überraschung, was mich davon überzeugte, daß er nicht der Flüsterer vom Echopavillon war. Nun ja, einen nach dem anderen konnte ich von meiner Liste der Verdächtigen streichen: Die Dienerin Buyantu und jetzt auch noch den Minister Pao…
Am nächsten Tag stellte ich jedoch fest, daß Pao immer noch am Leben war. Das gesamte bok wachte erst spät auf, die meisten mit brummendem Schädel, doch alle machten sich sogleich an die Vorbereitungen für Ukurujis Begräbnis. Einzig die shamàns schienen sich daran nicht zu beteiligen, nachdem sie denjenigen, um den es im Grunde ging, dafür hergerichtet hatten. Sie saßen als geschlossene Gruppe abseits, hatten den verurteilten Minister Pao bei sich und schienen ihn zum Frühstück zu füttern. Ich machte mich auf die Suche nach dem Orlok Bayan und fragte ihn verärgert, warum Pao noch nicht tot sei.
»Man ist doch gerade
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