Marco Polo der Besessene 2
war, deren Name gedolmetscht Klinge bedeutete. Ich drückte den Griff auf die richtige Weise und spürte, wie der breite Stahl auseinanderging -und wußte, daß die schlanke, dritte Klinge zwischen den beiden hervorgestoßen war. Mein Gegner gab einen gurgelnden Laut vo n sich, sein Mund blieb offen stehen, seine nach hinten geworfene Hand ließ das Schwert los, und er erbrach einen Schwall Blut über mich, dann sackte er von mir fort und fiel zu Boden. Ich riß den Dolch heraus, wischte ihn sauber und schloß ihn wieder. Dann stand ich auf und dachte: jetzt habe ich in meinem Leben zwei Menschen umgebracht. Von den Zwillingsschwestern in Khanbalik einmal ganz zu schweigen. Rechne ich mir auch noch den Sieg in dieser Schlacht hier an und zähle alles in allem einhunderttausendundvier Getötete in einem Leben? Dann müßte Khan Kubilai stolz auf mich sein, daß ich so reichlich Platz für mich geschaffen auf der übervölkerten Erde.
3
Meine Gefährten waren, das sah ich, als ich sie fand und mich ihnen wieder zugesellte, im Staubdunst gleichfalls auf einen nach Rache dürstenden Gegner gestoßen, aber nicht so gut gefahren wie ich. Sie drängten sich um zwei auf dem Boden ausgestreckte Gestalten, und als ich näher kam, wirbelte Bayan bedrohlich mit dem Schwert in der Luft herum.
»Ah, Polo«, sagte er und beruhigte sich, als er mich erkannte; dabei muß ich über und über mit Blut bespritzt gewesen sein. »Sieht so aus, als wäret auch Ihr mit einem zusammengeraten und hättet ihn erledigt. Gut gemacht! Dieser hier bewies einen rechten Wahnsinnsmut.« Er zeigte mit dem Schwert auf eine der am Boden liegenden Gestalten, einen aus vielen Wunden blutenden, aber offenbar bereits toten Mann. »Drei von uns waren nötig, ihn zu überwältigen, und vorher hat er noch einen von uns mitgenommen.« Er zeigte auf die andere Gestalt.
»Ukuruji verwundet!« rief ich aus. »Welch eine Tragödie!« Der junge Wang lag mit schmerzverzerrtem Gesicht, die beiden Hände um den Hals gelegt, da. Ich schrie: »Als ob er sich würgte!« beugte mich nieder, um seine Hände zu lockern und seine Wunde am Hals zu untersuchen. Doch als ich die verkrampften Hände in die Höhe hob, ließen sie den Kopf nicht los. Dieser war vollständig vom Körper getrennt worden. Einen Entsetzenslaut ausstoßend, wich ich zurück, blickte dann traurig auf ihn hinunter und murmelte: »Wie schrecklich. Ukuruji war ein prächtiger Bursche!«
»Er war ein Mongole«, sagte einer der Offiziere. »Neben dem Töten ist das Sterben dasjenige, worauf Mongolen sich am besten verstehen. Es ist nichts, um Tränen darüber zu vergießen.«
»Nein«, stimmte ich zu. »Ihm war soviel daran gelegen, bei der Eroberung Yun-nans mitzuhelfen, und das hat er getan.«
»Leider wird er es jetzt nicht regieren«, sagte der Orlok. »Aber das letzte, was seine Augen gesehen haben, war unser vollständiger Sieg. Kein schlechter Augenblick, um zu sterben.«
Ich fragte: »Dann betrachtet Ihr Yun-nan jetzt als unser?«
»Ach, es wird noch um andere Täler gerungen werden. Und Städte und kleinere Ortschaften, die eingenommen werden müssen. Wir haben den Feind schließlich nicht bis auf den allerletzten Mann ausgelöscht. Doch von dieser vernichtenden Niederlage werden sich die Yi nicht wieder erholen; sie werden nur noch der Form halber Widerstand leisten. Jawohl, ich kann wohl sagen, daß Yun-nan unser ist. Das bedeutet, daß wir jetzt beim Hintereingang der Sung anklopfen werden; folglich muß bald das ganze Reich fallen. Und das ist die Meldung, die Ihr Kubilai bringen sollt.«
»Ich wünschte, ich könnte ihm die gute Nachricht unbesudelt durch eine schlechte übermitteln. Sie kostet ihn einen Sohn.«
Einer der Offiziere sagte: »Kubilai hat viele andere Söhne. Möglich sogar, daß er Euch jetzt an Sohnes Statt annimmt, Ferenghi -nach allem, was Ihr für ihn getan habt. Schaut, der Staub legt sich. Jetzt könnt Ihr sehen, was Ihr mit Euren Messingkugeln bewirkt habt.«
Wir alle rissen uns von Ukurujis Anblick los und schauten das Tal hinunter. Der Staub war endlich zu Boden gesunken und legte sich wie ein weiches, sanftes, altersvergilbtes Leichentuch über die gequälte und völlig durcheinandergewirbelte Landschaft. Die Bergzüge auf beiden Seiten, die noch früher am Morgen dicht bewaldet gewesen waren, wiesen jetzt nur an den Rändern ihrer klaffenden Wunden irgendwelchen Bewuchs auf und diese Wunden waren aufgerissene Schluchten und Rinnen aus rotbrauner Erde und
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