Marco Polo der Besessene 2
Du wirst gehen und mit deinem Kummer allein sein wollen, und ich habe zu tun -um unsere Rache in die Wege zu leiten.«
Damit machte ich kehrt und ging abrupt hinaus, denn hätte er mich etwas gefragt, ich hätte ihn nicht anlügen können. Allein dies zu sagen, hatte mich mit womöglich noch größerem Zorn erfüllt, und so war ich entschlossener und blutdürstiger denn je zuvor. Und statt zum Echopavillon hinauf zu Buyantu zu eilen, begab ich mich zuerst in die Wohnung des Ministers Achmad.
Ich wurde kurz von seinen Wachen und Dienern aufgehalten. Diese behaupteten, der Wali habe wegen der Vorbereitungen für die Rückkehr des Khakhan und den Empfang der Kaiserinwitwe einen so aufreibenden Tag hinter sich, daß er abgespannt und bereits zu Bett gegangen sei; sie wagten es einfach nicht, einen Besucher zu melden. Ich jedoch fauchte sie an: »Nicht anmelden sollt ihr mich, sondern vorlassen! und tat das mit einer solchen Wildheit, daß sie zur Seite wichen und angstvoll murmelten: »Dann nehmt es auf die eigene Kappe, Herr Polo«, und ich stapfte laut und unangemeldet und unter Außerachtlassung aller guten Manieren durch die Tür in seine Privatgemächer.
Sofort fielen mir Buyantus Worte hinsichtlich der »ausgefallenen Neigungen« Achmads ein sowie ähnliche Worte, die Meister Chao vor langer Zeit zu mir gesagt hatte. Als ich in die Schlafkammer hineinplatzte, überraschte ich eine sehr große Frau, die sich bereits dort befand und bei meinem Eintreten spornstreichs durch eine andere Tür verschwand. Ich erhaschte nur noch einen flüchtigen Blick von ihr, die aufreizend in hauchdünne, schimmernde und wallende Gewänder in jener Farbe gekleidet war, die nach der Blüte des Fliederstrauchs benannt wird. Immerhin konnte ich davon ausgehen, daß es sich um dieselbe große und kräftige Frau handelte, die ich schon einmal in diesen Gemächern gesehen hatte. Diese besondere von Achmads »Neigungen«, dachte ich, schien nun bereits einige Zeit anzudauern, doch dann dachte ich nicht weiter darüber nach. Ich stellte mich vor den Mann hin, der in dem riesigen, mit fliederfarbenem Laken bedeckten Bett gegen fliederfarbene Kissen gelehnt dalag. Gelassen faßte er mich in sein steinhartes Achatauge und verzog angesichts des Sturms der Entrüstung, den er an mir bemerkt haben mußte, keine Miene.
»Wie ich sehe, geht es Euch wohl«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne hindurch. »Genießt Euer Schweinsein. Es wird nicht mehr lange währen.«
»Es gehört sich nicht, einem Muslim gegenüber von Schweinen zu reden, Schweinefleischfresser. Und vergeßt nicht, zu wem Ihr sprecht -zum Oberminister dieses Reiches. Gebt acht, welcher Sprache Ihr Euch da befleißigt.«
»Ich spreche mit einem in Ungnade Gefallenen, seiner Ämter Enthobenen, der bereits tot ist.«
»Nein, nein«, sagte er mit einem Lächeln, das alles andere als angenehm war. »Ihr mögt im Augenblick Kubilais besonderer Günstling sein, Polo -dem er sogar anbietet, seine Konkubinen mit ihm zu teilen, wie ich höre -, aber seine gute rechte Hand hackt er sich niemals ab.«
Diese Bemerkung ließ ich mir kurz durch den Kopf gehen, dann sagte ich: »Ich habe mich nie für einen besonders wichtigen Mann in Kithai gehalten -niemals zumindest für einen Rivalen von Euch oder jemand, der Euch gefährlich werden könnte -, darauf wäre ich nie gekommen, hättet Ihr mich nicht so offensichtlich Eurerseits dafür gehalten. Und jetzt erwähnt Ihr die mongolischen Jungfrauen, die ich genossen habe. Wurmt es Euch, daß Ihr das nie durftet? Oder dazu nie imstande wart?Ist das das Neueste, was an Eurer Selbstachtung nagt?«
»Haramzadè! Ihr und wichtig? Ein Rivale und eine Gefahr? Ich brauche nur den Gong neben meinem Bett zu berühren, und meine Männer zerhacken Euch auf der Stelle. Morgen früh brauchte ich Kubilai nur zu erklären, Ihr hättet zu mir gesprochen, wie Ihr es eben getan habt. Er würde sich nicht im geringsten darüber aufregen und kein Wort dazu sagen, und Eure Existenz wäre genauso vergessen wie Euer Ende.«
»Warum tut Ihr das denn nicht? Warum habt Ihr das nie getan?
Ihr habt gesagt, Ihr würdet mich dazu bringen, daß ich bedauerte, jemals einem ausdrücklichen Befehl von Euch zuwider gehandelt zu haben -doch wozu diese Zermürbung? Warum habt Ihr mich nur heimlich und gleichmütig bedroht, gleichzeitig jedoch die Unschuldigen um mich herum vernichtet?«
»Es hat mir Spaß gemacht, das zu tun -die Hölle ist das, was am meisten schmerzt -, und
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