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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nächste mit Hirse, noch ein anderes mit Klee oder Gartengemüse oder noch etwas anderem. Die Folge davon war, daß das alles überziehende Grün in kleine und kleinste Felder von unterschiedlichen Grüntönen und -schattierungen aufgeteilt war. Nach Chih-li kam die Provinz Shan-dong, wo das Ackerland Maulbeerbaumhainen wich, deren Blätter die Nahrung der Seidenraupen bilden. Aus Shan-dong kam das schwere, noppige und hochgeschätzte, gleichfalls shan-dong genannte Seidengewebe.
    Eines fiel mir überall an den Hauptstraßen im Süden Kithais auf: in bestimmten Abständen waren dort aufschlußreiche Schilder aufgestellt. Ich konnte die Han-Schriftzeichen zwar nicht lesen, doch mein Han-Schreiber dolmetschte sie für mich. Da stand eine Säule am Straßenrand, an der oben in beide Richtungen je ein Brett zeigte und auf denen etwa stand: »Nach Norden bis Gai-ri, neunzehn li«, und auf dem anderen: »Nach Süden bis Zhen-ning, achtundzwanzig li.« So wußte ein Reisender stets, wohin er ritt und (falls er es vergessen haben sollte) woher er kam. Die Schildersäulen waren besonders an Wegkreuzungen sehr informativ, denn dort verriet einem ein ganzes Dickicht von Brettern, wie weit jede Stadt im weiteren Umkreis entfernt war. Über diese hilfreiche Han-Erfindung machte ich mir eine Notiz, denn ich meinte, das solle man für den gesamten Rest des Khanats und -was das betrifft -auch für das Abendland übernehmen, wo es derlei Dinge nicht gibt.
    Die meiste Zeit über ritten wir auf dem Weg durch Kithai nach Süden dicht neben dem Großen Kanal oder zumindest in Sichtweite davon, auf dem ein bedeutender Schiffs- und Bootsverkehr herrschte; so kam es zu dem merkwürdigen Eindruck, daß, wenn wir etwas weiter vom Kanal entfernt waren, Boote und Schiffe dem Anschein nach über grüne Felder dahinsegelten und zwischen Obstbäumen navigierten. Angeregt zu diesem Kanal oder ihn nötig gemacht hatte die Tatsache, daß der Huang oder Gelbe Fluß sein Flußbett so oft verschoben hatte. Solange historische Aufzeichnungen gemacht wurden, hatte der Fluß im Ostteil seines Laufes sich immer wieder verlagert wie ein Seil, das ständig neu straffgespannt wird -nur, versteht sich, nicht so schnell. In dem einen oder anderen Jahrhundert hatte der Strom sich hoch im Norden, noch nördlich der Shan-dong-Halbinsel und nur wenige li südlich von Khanbalik in das Kithai-Meer ergossen. Mehrere Jahrhunderte später hatte sein immenser und schlangengleicher Lauf sich auf der Landkarte bis weit südlich der Shan-dong-Halbinsel hinuntergeschoben und war jetzt gute tausend li von seiner ursprünglichen Mündung entfernt. Um sich das bildhaft vor Augen zu führen, stelle man sich einen riesigen Fluß vor, der durch Frankreich fließt und sich bei dem englischen Hafen Bordeaux in den Golf von Biskaya ergießt, sich dann über die gesamte Breite von Europa nach Süden verschiebt und bei der Republik Marseilles in das Mittelländische Meer mündet. Zu anderen Zeiten hat sich der Gelbe Fluß im Laufe der Geschichte an ganz verschiedenen Stellen der Küste zwischen diesen nördlichsten und südlichsten Punkten in das Kithai-Meer ergossen.
    Die Unbeständigkeit des Flusses hatte viele kleinere Wasserläufe und abgeschnittene Seen und Teiche allüberall dort, wo er früher einmal durchfloß, zurückgelassen. Diesen Umstand haben frühere Herrscherdynastien klug zu nutzen gewußt, indem sie einen Kanal ausheben ließen, der die vorhandenen Gewässer miteinander verband und sich einverleibte, wodurch ein Wasserweg entstand, der weit im Landesinneren ungefähr von Süden nach Norden verlief. Ich glaube, bis vor noch gar nicht langer Zeit konnte nur von dem zufälligen Teilstück eines Kanals die Rede sein, das zwei oder drei Städte miteinander verband. Doch Kubilai, oder vielmehr sein Oberster Kanalbaumeister, hatte mit ganzen Heeren von zwangsweise rekrutierten Arbeitern Gräben ausgehoben und ausgebaggert, so daß mehr als nur das entstand. Jetzt war der Kanal breit und tief und immer vorhanden, die Uferböschungen gesäubert und mit Steinen befestigt. Außerdem waren überall dort, wo es nötig schien, Schleusen und Hebemaschinen errichtet worden, um den Höhenunterschied zwischen verschiedenen Landmassen zu überbrücken. Dies System setzte Fahrzeuge aller Größen, von den sanpan-Booten bis zu seegängigen chuan-Schiffen, instand, von Khanbalik bis an die Südgrenze Kithais zu segeln oder gerudert oder getreidelt zu werden, denn dort dehnte sich das Delta

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