Marco Polo der Besessene 2
sich irgendwohin zurückgezogen hatten, um über weibliche Dinge zu plaudern, beglückte ich die Herren mit pikanteren Erzählungen.
»Der Leibarzt, der mich auf dieser Reise begleitet, der Dotòr Abano, bezweifelt dies, Messen, aber ich habe aus Kithai ein Rezept für ein langes Leben mitgebracht und will es mit Euch teilen. Die Männer der Han, die sich zu einer Religion bekennen, die sie Tao nennen, glauben fest daran, daß der Brodem von allem Teilchen enthält, die so klein sind, daß man sie mit bloßem Auge nicht sehen kann, gleichwohl jedoch eine gewaltige Wirkung ausüben können. So zum Beispiel die Rosenteilchen, die das ausmachen, was wir den Rosenduft nennen, und die uns beim Einatmen ein wohliges Gefühl vermitteln. Die winzigen Fleischteilchen, die den Duft eines guten Bratens ausmachen, lassen uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Genauso, erklären die Taoisten, wird der Atem, der durch die Lungen eines jungen Mädchens geht, mit Teilchen ihres jungen, frischen Körpers aufgeladen und beim Ausatmen als belebende und stärkende Kraft an die Luft in der Umgebung abgegeben. Daher das Rezept: Wer sehr lange leben will, soll sich mit frischen jungen Mädchen umgeben. Bleibe ihnen so nahe wie möglich. Atme ihren frischen Brodem ein. Sie werden Euer Blut ebenso verbessern wie alle anderen Lebenssäfte. Sie stärken die Gesundheit und verlängern das Leben. Es versteht sich von selbst, daß, sollte sich noch andere Verwendung für die köstlichen Jungfrauen finden…«
Brüllendes Gelächter, laut und ausgedehnt, und dann hämmerte ein alter Flame sich mit knochiger Hand aufs spitze Knie und rief: »Zum Teufel mit Eurem Leibarzt, Mynheer Polo! Ich für mein Teil finde, das ist ein verdammt gutes Rezept! Ich würde mich ja auf der Stelle zu den jungen Mädchen begeben, verdammt will ich sein, wenn ich's nicht täte, bloß, daß mein verflixtes altes Weib etwas dagegen hätte!«
Noch lauteres Gelächter, über das hinweg ich ihm zurief: »Nicht, wenn Ihr es geschickt anstellt, Messere. Denn das Rezept für ältere Frauen ist selbstverständlich: junge Knaben.«
Noch lauteres Lachen, ungestüme Scherzworte, die gerufen wurden, Humpen mit dem starken flämischen Bier, die herumgingen, und oft, wenn Donata und ich uns schließlich verabschiedeten, war ich froh, daß ich mit der Sänfte des Konsulats nach Hause gebracht wurde.
Da ich tagsüber nicht soviel zu tun hatte und Donata für gewöhnlich damit beschäftigt war, unseren Töchtern eine gute Mutter zu sein, widmete ich mich einer Aufgabe, von der ich meinte, daß sowohl der Handel ganz allgemein und Venedig im besonderen ihr Gutes davon hätten. Ich beschloß, hier im Westen etwas einzurichten, was ich im Osten als überaus nützlich erfahren hatte. Ich bemühte mich, in Anlehnung an das, was Khan Kubilais Minister der Straßen und Flüsse schon vor langer Zeit eingerichtet hatte, hier zu verwirklichen. Das erforderte Zeit und Mühen und Überredungskraft, denn in diesen Landen besaß ich keine absolute Macht, wie ich sie überall im Khanat genossen hatte. Ich mußte ein Gutteil an Behördenunbeweglichkeit, Kleinmut und Widerstand überwinden. Diese Schwierigkeiten wurden noch dadurch vervielfacht, daß die Regierungen so vieler Länder damit zu tun hatten: Flandern, Lothringen, Schwaben und so weiter -jedes mißtrauische, engstirnige Herzogtum und Fürstentum zwischen Brügge und Venedig. Aber ich hatte es mir nun einmal in den Kopf gesetzt, und ich war eigensinnig, und ich schaffte es. Als diese Postenkette aus Reitern und Relaisstationen endlich stand, konnte ich die Frachtbriefe nach Venedig abschicken, sobald die Flotte Sluys verlassen hatte. Die Kuriere schafften diese Strecke von siebenhundert Meilen in sieben Tagen, also in einem Viertel der besten Zeit, die die Flotte brauchte; so kam es, daß die Kaufleute in Venedig, für die die Waren bestimmt waren, schon jedes Stück Fracht verkauft hatten, ehe sie überhaupt bei ihnen eingetroffen war.
Als es für mich und die Familie Zeit wurde, Brügge zu verlassen, war ich versucht, uns selbst auf diese schnelle Weise heimzubefördern. Doch zwei Familienmitglieder waren kleine Kinder, und Donata war wieder schwanger, deshalb ließ sich das Vorhaben nicht ausführen. Wir fuhren heim, wie wir gekommen waren, per Schiff, und trafen so rechtzeitig wieder in Venedig ein, daß unsere dritte Tochter, Morata, dort zur Welt kommen konnte.
Die Ca' Polo war immer noch Pilgerziel vieler Besucher, die den
Weitere Kostenlose Bücher