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Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Titel: Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Espinosa
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befand, jedenfalls war es der seltsamste Ort, den ich je gesehen hatte.
    Das Bild verschwand, der Fremdling blickte mich an.
    »Hilfst du mir jetzt?«, wisperte er.

10
    Wenn ich ihn nicht kenne,
kann ich nicht
in ihn hineinschlüpfen

Z wei Sekunden später tauchte mein Chef in Begleitung von Dani auf. Die Neugierde stand ihm ins Gesicht geschrieben. Mich zu beobachten, ohne irgendetwas hören zu können, hatte seine Unruhe verstärkt.
    Ich ließ sie nicht zu Wort kommen.
    »Ich konnte nichts über ihn herausfinden«, sagte ich. »Meine Gabe funktioniert nicht bei ihm. Ihr müsst mir alles erzählen, was ihr über ihn wisst. Ohne ihn zu kennen, kann ich nicht in ihn hineinschlüpfen.«
    Nie hätte ich gedacht, dass ich jemals so etwas sagen müsste. Ich, der ich immer alles über die Leute wusste, ohne auch nur zwei Sätze mit ihnen zu wechseln.
    Da hörte ich plötzlich wieder seine Worte: Du musst das Mädchen vom Theater kennenlernen. Warum war es so wichtig, dass ich mit ihr sprach? Wie konnte er von ihrer Existenz wissen? Hatte er es in mir gelesen? Konnte die Erinnerung an sie mich so durchdrungen haben, dass sie bereits eine der zwölf grundlegenden Emotionen meines Lebens bildete und er sie wahrgenommen hatte?
    »Komm mit in mein Büro«, sagte mein Chef, unübersehbar verstimmt.
    Als wir den langen Flur entlanggingen, telefonierte mein Chef mit zwei seiner Vorgesetzten, um ihnen mitzuteilen, dass meine Mission erfolglos gewesen war.
    Ich nutzte die Gelegenheit, um Dani etwas zu sagen, was der Chef nicht unbedingt hören sollte.
    »Finde doch bitte heraus, um wie viel Uhr das Stück zu Ende ist, das gerade im Teatro Español aufgeführt wird, Tod eines Handlungsreisenden .«
    »Wann die Aufführung im Teatro Español zu Ende ist?«, fragte Dani überrascht und stellte dabei wahrscheinlich vergebliche Überlegungen an, was das mit dem Fremdling zu tun haben könnte.
    »Ja, ich muss dort sein, wenn die Zuschauer den Saal verlassen. Und sollten sie dir sagen, das Stück dauere circa zwei Stunden, dann bringe sie dazu, dir die exakte Uhrzeit zu nennen.«
    Dani spurtete los. Ich ging weiter hinter meinem Chef her, der das Donnerwetter über sich ergehen ließ. Er wirkte schlecht gelaunt, wahrscheinlich verstand er nicht, wie seine Geheimwaffe ihn zum ersten Mal im Stich lassen konnte.
    Wir betraten das Büro. Er verriegelte hinter mir die Tür und öffnete einen Safe, aus dem er einen Stapel Berichte holte.
    »Wir haben ihn in den Bergen gefunden.« Er zeigte mir ein Foto von einem großen Loch, das offenbar durch extreme Hitzeeinwirkung entstanden war. »Kein Raumschiff oder sonst etwas in der Art zu sehen, wenn du dich das jetzt fragst. Wie die Satellitenfotos bestätigen«, er zeigte mir weitere Aufnahmen, »verbrannte die ganze Zone in weniger als einer Minute. Hier auf diesem Satellitenfoto von 19 . 04 Uhr siehst du noch die üppige Vegetation, eine Minute später ist da nichts mehr, alles versengt, das einzig Lebendige weit und breit war der Junge.«
    Langsam sah ich mir alle Fotos noch einmal aus nächster Nähe an. Es war unglaublich. Diese Geschwindigkeit konnte nur eine Energie erzeugt haben, die einer uns unbekannten Technologie entstammte.
    »Und was hat er dazu gesagt?«, fragte ich.
    »Er spricht nicht. Er streitet weder ab noch bestätigt er irgendetwas. Er bittet uns nur, ihn gehen zu lassen, er habe etwas zu erledigen.«
    »Was hat er denn zu erledigen?«
    »Keine Ahnung, das will er uns nicht sagen.«
    Er holte weitere Papiere hervor und reichte sie mir.
    »Das sind die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen, die an ihm vorgenommen wurden«, sagte mein Chef. »Alles absolut normal, wie du siehst. Auch die psychologischen Tests sind ganz durchschnittlich, sie zeigen nicht einmal eine Überlegenheit gegenüber anderen Jugendlichen seines Alters.«
    »Warum behaltet ihr ihn dann noch hier? Nur wegen des Lochs in den Bergen?«
    »Wegen der Knochenprobe.« Er gab sie mir.
    Ich überflog die Analysen und ging zu den Schlussfolgerungen über. Erst las ich sie für mich, dann noch einmal laut, um ganz sicher zu sein, dass ich sie richtig entzifferte.
    Die Knochenzusammensetzung des Fremdlings unterscheidet sich von unserer, als habe er sich über Jahre in einer anderen Atmosphäre aufgehalten als der unseres Planeten. Ähnliches wurde bisher nur bei Astronauten beobachtet, die lange in Raumstationen waren .
    Mein Chef gab keinen Kommentar dazu ab, vermutlich hatte er diese Sätze bereits zigmal

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