Marcus Gladiator 02 - Strassenkämpfer
Corvus.«
Der Junge schaute zu ihm hoch und nickte schwach. Dann fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen und flüsterte: »Ist sie in Sicherheit? Die Herrin Portia?«
»Ja.«
Portia hörte ihren Namen und kam herüber, um sich neben Marcus zu knien. Still nahm sie Corvus bei der Hand. Seine Augen huschten zu ihr und er lächelte.
»Du siehst, ich lebe.« Portia rang sich ein Lächeln ab. »Das habe ich dir zu verdanken.«
Nach einem kurzen Schweigen drückte ihm Portia fest die Hand und fuhr fort. »Ich schulde dir mein Leben. Ich werde dafür sorgen, dass du eine stattliche Belohnung bekommst. Das verspreche ich. Wenige Sklaven wären so treu gewesen.«
Corvus runzelte die Stirn. Sein Atem ging schwer, während er sich anstrengte, ihr zu antworten. »Hab’s nicht getan … weil du … meine Herrin bist. Hab’s getan … weil du in … Gefahr warst.«
Plötzlich verkrampfte sich sein Körper, er riss sich von Marcus los und ein breiter Blutstrom ergoss sich aus seiner Wunde.
»Marcus, tu was!«, schrie Portia und umklammerte die Hand des Jungen.
Marcus hielt Corvus mit einer Hand am Boden und versuchte, mit der anderen weiter Druck auf die Wunde auszuüben. Corvus begann zu beben und seine Augen flackerten. Dann stieß er einen langen, tiefen Seufzer aus und sein Körper sackte leblos zu Boden. Marcus hielt noch einen Augenblick länger die Hand auf die Wunde gepresst, als gebe es Hoffnung, dass Corvus noch am Leben sein könnte. Auch Portia hielt weiterhin mit bebender Unterlippe seine Hand fest.
Eine Weile lang sagte niemand ein Wort und man hörte nur das ferne Murmeln der Menge auf dem Forum.
»Er ist gegangen?«, fragte Lupus, als er sich über sie beugte. »Corvus …«
Marcus schaute sich um und sah, dass Lupus’ Gesicht schmerzverzerrt war. Er versuchte ihm Trost zuzusprechen. »Er ist ins Schattenreich übergegangen. Er ist jetzt frei, Lupus.«
»Er ist tot«, erwiderte der Junge bitter. »Nur eine Handvoll Jahre als Sklave, und jetzt ist er tot.«
Lupus kauerte sich hin und ergriff Corvus’ andere Hand. Marcus sah die Tränen in den Augen des Jungen schimmern, als dieser auf Corvus herabsah.
»Er war wie mein Bruder für mich. Die einzige Familie, die ich je hatte.«
Portia schaute ihn über den Leichnam hinweg an. »Ich … ich hatte ja keine Ahnung.«
»Wie solltest du? In deinen Augen sind wir doch nur irgendwelche Besitztümer im Haushalt deines Onkels. Jetzt … jetzt muss er sich einfach einen neuen Küchenjungen kaufen.«
Marcus legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Wir können später trauern, Lupus. Jetzt müssen wir erst die Herrin Portia hier wegschaffen.«
Portia schüttelte den Kopf. »Wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen. Das ist … das ist nicht recht.«
»Wir schicken jemanden her, um ihn zu holen, sobald wir zu Hause sind«, erwiderte Marcus. »Dann kann Corvus begraben werden, wie es sich gehört.«
»Ja.« Portia nickte. »Ich kümmere mich selbst darum.«
Sie ließ sich auf die Füße heben, und Marcus zog gerade Lupus von dem Leichnam fort, als man aus der anderen Ecke des Raums ein leises Lachen hörte.
»Wie rührend.« Der Mann, aus dessen Eingeweiden die Holzstücke ragten, lachte trocken und winselte dann vor Schmerzen. »Ihr werdet euch schon alle bald genug zu diesem Jungen gesellen. Ihr, Caesar und der ganze Rest.«
Lupus packte den Knüppel, mit dem er den zweiten Entführer bewusstlos geschlagen hatte, doch Marcus hielt ihn am Arm zurück. »Warte.«
»Was?«, schnauzte Lupus wütend. »Lass mich sie töten.«
»Der ist schon erledigt.« Marcus deutete mit dem Kopf auf den höhnenden Mann. »Und wenn sein Herr herausfindet, dass er keinen Erfolg hatte, wird das sein Freund auch bald sein.«
»Was ist dann der Unterschied?«, fragte Lupus beharrlich.
»Es ist der Unterschied zwischen denen und uns, und das ist wichtiger als alles andere. Außerdem müssen wir machen, dass wir hier wegkommen. Jetzt sofort.«
Lupus starrte Marcus verwirrt an, nickte dann bedächtig und ließ den Knüppel sinken. Er drehte sich zu dem Mann um, der zu seinen Füßen lag, und spuckte auf ihn, ehe er zur Tür ging. Marcus nahm Portia sanft beim Arm und führte sie hinter Lupus her. Ehe sie die Tür erreicht hatten, schrie der Mann ihnen nach:
»Ihr seid alle tot! Wisst ihr das? Tot! Ihr glaubt, das hier ist das Ende? Wir werden nicht ruhen, bis du und dein edler Onkel auf den Straßen verblutet!«
Marcus spürte, wie Portia schauderte.
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